Bekanntermaßen bin ich seit einigen Jahren Mutter. Daher gibt es für mich nun auch einen extra Feiertag: Den Muttertag. Ein Tag, an dem meine übermenschliche Leistung des letzten Jahres gewürdigt wird, an dem ich gefeiert und bejubelt werde, an dem meine Familie mich mit einem hübsch gedeckten Frühstückstisch weckt, den eine Vase mit herrlich duftenden Frühlingsblumen ziert. Das harmonische Bild wird von ein paar bunten, selbstgemalten Bilder meiner Nachkommen abgerundet.
Soweit die Theorie!
Meinen ersten Muttertag verbrachte ich in einem auf Schlafmangel basierenden Trancezustand, mit einem Säugling abwechselnd an der einen und an der anderen Brust. Dass dieser fordernde kleine Säugling eines Tages Bilder malen sollen könnte, überstieg zu dem Zeitpunkt jegliche Vorstellungskraft. Mein Mann und ich wechselten uns mit dem Schlafen ab. Frühstück war zweitrangig und Blumenvasen hatten wir noch von der Geburt überall herumstehen.
Der zweite Muttertag verging mit diversen Hausrenovierungsprojekten und parallel dem Versuch, ein gerade einjähriges, lebhaftes Mädchen davon abzuhalten, sich in den verschiedenen Baustellen zu suhlen und frisch renovierte Hausteile zu demolieren.
Am dritten Muttertag war ich gerade zum zweiten Male Mutter geworden und hätte doppelt gefeiert werden können. Der dritte Muttertag stand ganz im Zeichen von Chaos. Das gerade geschlüpfte Geschwisterchen war in seinen ersten Wochen wenig begeistert von der neuen Welt und teilte uns dies lautstark mit. Parallel dazu bestand meine zweite Hauptaufgabe darin, die emotional völlig aus dem Gleichgewicht geratene „große“ Schwester bei einem ihrer unzähligen Wut- und Frustrationsanfällen zu begleiten. Die Wörter Blumen und Frühstück hatten zu diesem Zeitpunkt eine sehr untergeordnete Bedeutung in unserem Wortschatz.
Der Muttertag Nr. 4 entzieht sich meinem Erinnerungsvermögen. Vermutlich haben wir diesen neben Kinderbetreuung, Hausrenovierung und meinem Wiedereinstieg in die Arbeitswelt schlicht und einfach übergangen.
Dieses Jahr stand Muttertag Nr. 5 an.
Der erste Muttertag, an dem ich genügend Energie dafür übrig hatte zu überlegen, was der Muttertag für eine Bedeutung für mich hat.
Meine erste Einschätzung stellte sich wie folgt dar:
– Muttertag?
– Wann ist der überhaupt?
– Ich bin 365 Tage im Jahr Mutter!
– Ein Tag mehr oder weniger spielt keine Rolle.
– Jeder Tag sollte Muttertag sein.
– Ich bin dankbar, Mutter zu sein.
– Das größte Geschenk ist bereits, Mutter zu sein.
– Meine Familie ist Geschenk genug.
– Wenn ich in die leuchtenden Augen meiner Kinder sehe…
– Ich brauche sonst nichts am Muttertag.
– Und schon gar keine Blumen.
Dann kam der Muttertag.
Ich konnte mich tatsächlich an einen (halb) gedeckten Frühstückstisch setzen. Dies hing jedoch mehr mit der abgesprochenen Arbeitsteilung und weniger mit einem Muttertagsereignis zusammen. Mein werter Ehemann ist Frühaufsteher und kann auch zwischen 5 und 6 Uhr morgens schon ganz gut überleben, während ich selbst mich erst ab 6 Uhr morgens zu einem Menschen mit akzeptabler Laune und passablen sozialen Umgangsformen entwickele. Statt mit einer Vase mit Frühlingsblumen wurde der Frühstückstisch von kunstvoll ausgestreuten Brötchenkrümeln, Marmeladenklecksen und umgeschütteter Milch verziert.
Das macht gar nichts, dachte ich mir. Muttertag bedeutete mir schließlich nicht so viel.
Nach dem Frühstück renovierten wir den Gang unseres alten Häuschens fertig und erhöhten damit den Renovierungsstatus unseres Hauses auf cirka 95 %. Meine Aufgabe bestand hierbei in der Unterhaltung eines aufgrund von Windpocken äußerst gelangweilten kleinen Mannes und seiner launischen großen Schwester, die die Wochenenden ohne ihre vielen Kindergartenfreunde derzeit sterbenslangweilig findet.
Als der Gang abgeschlossen war, fügten wir nahtlos das Projekt „Kampf den Silberfischen“ an und fugten sämtliche Hohlräume und Schlitze in unserem Badezimmer.
Die erste und letzte Pause des Tages, der Mittagsschlaf des kleinen Mannes – stürmten wir schließlich hektisch in den Garten, um eine riesige von alten Büschen und Baumstümpfen befreite Fläche endlich fertig umzugraben, das vorhandene Unkraut zu entfernen, zu stampfen und Rasen darauf zu säen. Denn wenn eventuell bald noch weitere Familienmitglieder von den Windpocken eingeholt werden, sieht es mit einem fertigen Rasen bis zum Sommer mau aus.
Als der Rasen eingesät war, kehrte erstmals ein klein wenig Ruhe in unserem Haushalt ein. Mit der Ruhe kamen die Gedanken.
Auf Facebook tummelten sich Fotos von Blumensträußen, selbstgemalten Bildern, gebastelten Geschenken und Lebkuchenherzen. Wenig später setzte der Geschenke-Reigen auf Whatsapp fort. Sämtliche Mamas aus meinem Bekannten- und Familienkreis schienen an ihrem großen jährlichen Tag gefeiert und bejubelt zu werden.
Meine Laune sank drastisch.
Sehr zur Verwirrung meiner besseren Hälfte, der offenbar nicht einmal wusste, dass heute MEIN Tag war. Mit verkniffenem Mund hielt ich ihm schließlich mein Handy hin und zeigte ihm ein paar Blumensträuße und Lebkuchenherzen.
„Nicht, dass es mir sooooo wichtig wäre…. „, murmelte ich spitz.
Mein Däne zog die Augenbrauen hoch und guckte mich erstaunt an. Woher sollte er nach Muttertag Nr. 1, 2, 3 und 4 auch wissen, dass ab Muttertag Nr. 5 plötzlich alles ganz anders war?
Den Rest des Tages grummelte ich vor mich hin.
Am nächsten Tag hatte ich das Thema fast vergessen. Nach getaner Arbeit kam ich nach Hause und wir verbrachten unser übliches chaotisches Abendessen. Kurz danach verließ ich das Wohnzimmer und räumte in den Kinderzimmern auf. Als ich wieder zurückkam, wurde ich von einer riesigen Orchidee, einer Schale mit leckeren, frischen Erbeeren, zwei erwartungsvollen Kindern (die hierfür extra ein paar Sekunden ihrer „Timmy-das-Schaf-TV-Serie“ opferten) und einem noch erwartungsvolleren Papa empfangen.
Meine Laune stieg überraschend um 300 %.
Da waren sie ja, die Blümchen!
Die, die ich mir so gar nicht gewünscht hatte zum ach so unwichtigen Muttertag…
Das nächste Jahr mit den alltäglichen Mutterfreuden kann kommen!