1. Hustenalarm… und Ausweitung der Phase 1

Sonntagabend, 19:44 Uhr.

Mit einer Ankündigungsmail ruft sich das digitale Schulportal AULA  wieder einmal in unliebsame Erinnerung. Ob Sonntage, Samstage, Feiertage oder Ferientage, ob früh morgens oder spät abends: AULA schert sich im Großen und Ganzen nicht um solche Nebensächlichkeiten wie Wochentage oder Uhrzeit. Jeder Tag ist AULA Tag. 24/7 erreichbar. Selbst schuld, wer sich nicht davon abgrenzen kann.

Ich kann es scheinbar nicht. Zumindest nicht gut genug, daher öffne ich widerstrebend die Schul-App. Mit hochgezogenen Schultern und nicht ganz regelmäßiger Atmung unterbreche ich mein Wochenende, um schnell zu lesen, was es wieder neues in der Schule gibt.

„Info an Klasse 1 B.“
Die Klasse des kleinsten Nordlichts. Aus Deutscher Sicht ist das übrigens eine 2. Klasse, da die Kleinen in Dänemark ab der 0. Klasse zur Schule gehen 🙂 )

Dann folgen zwei Zeilen, kurz und bündig: „In Gruppe 2 der Klasse 1B ist ein Kind auffällig mit Husten. Husten kann ein Symptom des Corona-Virus´ sein. Bitte beobachtet Eure Kinder besonders aufmerksam auf eventuelle Symptome „.

Nicht, dass wir das nicht ohnehin schon tun würden.

Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass AULA sich künftig ziemlich oft in Erinnerung rufen wird, wenn über jedes kranke Kind im Klassenverbund informiert werden soll. In dem Alter husten und schnupfen Kinder ja dauernd.

Aber gut und wichtig, dass die Schule derartige Mails zeitnah schickt. Meinetwegen auch gerne sonntags. Dann kennen wir Eltern den Krankenstatus in der jeweiligen Klasse/Gruppe und es kann schneller festgestellt werden, ob sich irgendwo etwas ernsteres anbahnt. Man hängt als Eltern in Phase 1 der Wiedereröffnung ja schon emotional etwas in der Luft und muss sich nach Wochen der Isolation erst wieder daran gewöhnen, mit der Außenwelt in Kontakt zu kommen.

Gegen gewöhnliche Erkältungsinfektionen (und „falsche“ Hustenalarme) hilft hoffentlich bald auch das warme Wetter. Sollte jenes mal den Weg in den Norden finden…. Heute früh entdeckte ich jedenfalls schon wieder Eis auf meinem Dachfenster. Naja. Der Schulleiter sähe unsere Kinder offenbar auch sehr gerne in Thermokleidung eingepackt, wie eine weitere AULA-Mail am Wochenende verkündete. Ich weiß nicht, wie es anderen Eltern so geht, aber schon die bloße Ankündigung der Schulleiter-Idee bei den zwei kleinen Nordlichtern rief massiven Protest hervor. Der Schultag beginnt somit erneut mit Mütze, Schal, Handschuhen und Sitzkissen. Ohne Thermohosen. Aber dafür mit Sonnencreme! Immerhin.

Noch ein paar generelle Updates aus Dänemark:

Da die Reproduktionszahl in Dänemark derzeit nur bei 0,6 liegt, öffnen neben den Krippen, Kindergärten und Schulen (bis 6. Klasse + Abi-Jahrgänge) ab heute auch noch eine Reihe weiterer Gewerbetreibende. Die Regierung nennt das: „Ausweitung von Phase 1 der Wiedereröffnung Dänemarks“.

Quelle: Nordjyllands Politi, Twitter

Ab heute, Montag 20. April 2020, dürfen also folgende Gewerbe wieder öffnen:

  • Friseure
  • Massagepraxen, Kosmetiksalons
  • Spa, Körperpflege, Nadelstudio
  • Tätowierer
  • Physio- und Ergotherapeuten, Chiropraktiker
  • Osteopathen
  • Ernährungsberatungen
  • Fußpflege
  • Optiker
  • Psychologen
  • Zahnmedizinische Einrichtungen
  • Hörgeräteakkustiker usw.
  • Private Krankenhäuser und Praxen
  • Fahrschulen

Das Ganze natürlich mit einem Sammelsurium an strengen Abstands- und Hygienevorgaben. Zeitversetzte Öffnungs- und Bedienungszeiten, so dass nicht das ganze üblicherweise vorhandene Personal auf einmal im Geschäft ist und Kunden betreut. Pro 4 Quadratmeter nur 1 Kunde. Exakte Reinigungs/Hygienevorgaben. Falls die Betreuung der Kunden/Klienten ohne ein physisches Treffen möglich ist, soll sie digital ausgeführt werden (z.B. Skype Therapie). Sowenig als möglich direkter physischer Kontakt. Noch viel weniger Face-to-Face-Kontakt. Sollte ein Face-to-Face-Kontakt aufgrund der Art der Beschäftigung unumgänglich sein (z.B. Nagelpflege, Kosmetik, Gesichtsbehandlungen usw.), müssen entweder die Gesichter durch Gesichtsvisire geschützt  oder Plexiglas-Vorrichtungen konzipiert werden, durch die z.B. bei der Nagelpflege der Kunde beide Hände stecken kann.

Die Vorgaben stehen fest, nun ist wieder Kreativität gefragt, von Seiten der Betroffenen. So wie beispielsweise bei den Kindergärten in Kopenhagen, die wegen des Platzmangels im Zusammenhang mit den neuen gesetzlichen Quadratmetervorgaben nun einen Teil der Kinder im corona-geschlossenen Vergnügungspark Tivoli betreuen.


Photo: Lasse Salling/Tivoli Gardens

Phase 1 in Dänemark – Eine neue Ära beginnt!
Vieles ist anders, aber versuchen wir, zu improvisieren und das Beste daraus zu machen!

Und zu guter letzt und der Vollständigkeit halber: Was bleibt geschlossen hier in Dänemark?

  • Sämtliche Veranstaltungen und Ereignisse, bei denen mehr als
    10 Personen zusammentreffen.
  • Alle Schulen und Bildungseinrichtungen, ausgenommen der Schüler bis zur 6. Klasse, der Abiturklassen und der Ausbildungsjahrgänge, die sich im Abschlussjahr befinden.
  • Kirchen, Kulturangebote, Freizeiteinrichtungen
  • Die Angestellten der öffentlichen Wirtschaften arbeiten weiterhin im Home-Office (die privaten auch, soweit möglich)
  • Nachtclubs, Bars, Restaurants und Cafés
  • große Einkaufszentren (überdacht)
  • Indoor Sport- und Freizeiteinrichtungen
  • Die Grenzen – Einreiseverbot. Grenzkontrollen werden weiterhin vorgenommen.
  • Verschärfte Reiseempfehlungen für dänische Einwohner.

Pünktlich zur Ausweitung der Phase 1 machte gestern Abend dann auch noch – möglicherweise zur Dämpfung eines befürchteten, mit diesen Öffnungen einhergehenden eventuellen Übermutes der Bevölkerung –  eine recht eindringliche Nachricht unseres Statens Serum Instituts (dem Pendant des deutschen RKI) die Runde.

Je nachdem, ob man persönlich eher Nachrichten aus dem Sensationsmediensegment bevorzugt oder doch eher ernstzunehmenden Journalismus, hatte man die Qual der Wahl zwischen reißerischen, fettschwarzen Überschriften auf neonblinkendem Hintergrund oder eher gemäßigteren, augenschonenden Headlines. Wohlgemerkt alle basierend auf haargenau demselben Interview mit den Verantwortlichen des SSI 🙂

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REGN MED SOCIAL AFSTAND I MINDST 1 ÅR!!!!!

(RECHNET MIT SOZIALER DISTANZ NOCH MINDESTENS
1 JAHR!!!!!)

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Regn med social afstand, indtil vaccine er klar

(Rechnet mit sozialer Distanz, bis die Impfung kommt)

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Nicht überraschend, aber so schwarz auf weiß doch auch nochmal eine andere Hausnummer. Auch immer wieder spannend, wie sich auch (oder gerade?) bei Corona in der Medienlandschaft die Spreu vom Weizen trennt 🙂 Verkaufsorientierte Dramatik versus neutrale Information. Corona sells!

In diesem Sinne Euch allen einen schönen, sonnigen Wochenstart ♥

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4 Kommentare zu „1. Hustenalarm… und Ausweitung der Phase 1“

  1. „Je nachdem, ob man persönlich eher Nachrichten aus dem Sensationsmediensegment bevorzugt oder doch eher ernstzunehmenden Journalismus, hatte man die Qual der Wahl zwischen reißerischen, fettschwarzen Überschriften auf neonblinkendem Hintergrund oder eher gemäßigteren, augenschonenden Headlines. Wohlgemerkt alle basierend auf haargenau demselben Interview mit den Verantwortlichen des SSI “

    Leider, leider ist es genau das, was aus dem Journalismus im 21. Jahrhundert geworden ist. Dank Internet-Berichterstattung zählen nur noch Klicks – qualitativ hochwertige und vor allem neutrale Berichterstattung muss man teilweise schon sehr lange suchen.

    Traurig. 😦

    1. Ja, entweder sehr lange suchen, oder dann halt doch dafür bezahlen…. Viele Internet-Berichte sind fast identisch – und oft oberflächlich. Aber so ist das… money und klicks rules…..

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