1000 Kilometer

Wieder zuhause erzählte ich dem ein oder anderen aufgeregt von meiner dänischen Bekanntschaft. Die Reaktionen waren ernüchternd. Hochgezogene Augenbrauen, unmerkliches Kopfschütteln und hier und da auch ein süffisantes Grinsen, weil ein „Skihaserl“ generell ja eine nette und harmlose Sache ist. Die man hinterher schnell wieder vergisst. Jemand sagte mir sogar ganz deutlich auf den Kopf zu, dass das wohl keinen Sinn mache und ich mir die Sache besser gleich aus dem Kopf schlagen sollte. 1000 km seien schließlich ein Ding der Unmöglichkeit.

Das Kribbeln ließ sich davon nicht beirren, obwohl ich generell ähnliche Gedanken hatte.

Der interessante Däne und ich schrieben täglich SMS. Schon in Wagrain war ein möglicher Besuch in Kopenhagen zur Sprache gekommen.

Was ich meinen Freunden wohlweislich verschwieg, war, dass mir auch schon in Wagrain vorsichtig die Frage gestellt wurde, ob ich mich für immer in Deutschland sehe oder generell offen bin… Aber das natürlich unter dem Einfluss von einigen leckeren Drinks 🙂

Montags stürzte ich mich wieder ins Chaos meines Jobs. Da ich angesichts der zahlreichen zu bearbeitenden Stapel keinen blassen Schimmer hatte, wo ich zuerst beginnen sollte, machte ich zuerst einen Abstecher zu meiner sehr, sehr guten Kollegin Evi im Büro gegenüber.

Ich platzte heraus mit meiner Geschichte und erwartete die Reaktion, die ich bereits gut kannte. Doch ich wurde überrascht! Evi war begeistert und kitzelte weitere Details aus mir heraus. Jegliche Bedenken und gängige Gedanken, dass man sich in einem solchen Falle am besten weitere sinnlose Investitionen sparen könne, wurden ungehalten weggewischt. Papperlapapp. DAS muss einfach ausprobiert werden. Ohne Risiko keine Gewinne im Leben! Und so oft kribbelt es schließlich nicht im Magen, als dass man sich aussuchen kann, was einem am Besten in den Kram passt. Wohl wahr.

„Wie geht´s jetzt weiter?“, lautete die abschließende effektive Frage.

Wohl mit einem Besuch im Norden. Da ich ohnehin ein hohes Interesse an Skandinavien hatte, und generell bereits vor dem Urlaub den Plan gefasst hatte, in den nächsten Jahren alle skandinavischen Länder nach und nach wenigstens zu bereisen (wenn schon nicht dorthin auszuwandern), beschloss ich, die ganze Angelegenheit mindestens hierfür zu nutzen. Mit kostenlosem, einheimischen Tour-Guide.

Eine zweite ebenfalls sehr aufgeschlossene Freundin zeigte ähnliche Reaktionen. Sie arbeitete am Flughafen in Frankfurt und schickte mir ein paar Flüge per Mail. Heimlich begann ich, weitere Flüge selbst herauszusuchen und zeitnah ein passendes Wochenende zu finden. Ende Januar fand ich einen passenden, bezahlbaren Flug und ein passendes Wochenende.

Ich war bis dato noch nie alleine geflogen, und schon gar nicht in ein fremdes Land, in der mich eine relativ unbekannte Person empfing. Ich sträubte mich noch ein wenig über diesen geplanten Ausbruch aus meiner gemütlichen Comfort Zone, und Evi drückte schließlich für mich auf den Button „Buchen“, als ihr das Zögern zu bunt wurde. Darüber hinaus bot sie mir an, mich an dem betreffenden Freitag, den 27.1., zum Flughafen zu fahren und mich Nervenbündel bis zur Handgepäckkontrolle zu schleusen.

Mein weiteres Umfeld betrachtete meine Pläne mit Verwunderung, sagte aber taktvollerweise nicht viel dazu.

Die zweieinhalb Wochen vergingen schleppend, und ich verwünschte mich mehrmals täglich für den merkwürdigen Plan, und andererseits freute ich mich auch wahnsinnig auf das Wochenende in Kopenhagen.

Evi fuhr mich am Freitag, 27.1.2007, nach Frankfurt an den Flughafen und amüsierte sich köstlich über meine Aufregung. Ich war 30 Jahre alt, aber bis dato nicht wirklich nennenswert aus meinem geographischen Umfeld herausgekommen, auf mich alleine gestellt und ohne meine heißgeliebte Planungssicherheit. Ich war ein Nervenbündel und kurz vorm Umkehren.

An der Handgepäckkontrolle wurde ich abgesetzt und durchgeschubst.

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Erstmals verließ ich mich vollständig auf mein Bauchgefühl und versuchte, meinen Kopf zu überhören und einfach mal Verrücktes zu tun. Darauf zu vertrauen, dass es sicher gut wird, egal auf welche Weise. Eine neue Erfahrung mitzunehmen.

So machte ich mich an diesem Tag alleine auf – ins kleine Land Dänemark, gefühlt jedoch „in die große, weite Welt“.

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