In den letzten Wochen haben wir hier auf Seeland nur ganz vereinzelt die Sonne gesehen. Sie versteckt sich hartnäckig hinter riesigen Wolkentürmen und lässt uns nach und nach vergessen, dass es sie je gegeben hat. Die Tage zeigen sich in unterschiedlichen Grau-Tönen. Am Morgen verdrängt ein dunkles Anthrazit die tintenschwarze Nacht. Unmerklich geht dieses Dunkelgrau in ein schmutziges Mittelgrau über. Höhepunkt des Tages ist um die Mittagszeit herum schließlich ein helles Mausgrau! Danach bereiten sich die Lichtverhältnisse fleißig auf die kommende Nacht vor und die Grau-Nuancen entwickeln sich einfach wieder rückwärts. Grau in Grau. Farblos. Und das seit Wochen!
Der Lichtmangel führte bei uns zuhause langsam aber sicher zu klaustrophobischen Zuständen. Wir waren in der letzten Zeit schnell müde, antriebslos und oft auch mal gereizt. Uns allen und ganz besonders den Kindern fiel jedes Wochenende die Decke auf den Kopf. Zusätzlich zu dem Grau(en) am Himmel stürmte und regnete es oft, was nicht gerade dazu einlud, das Haus mit zwei Kleinkindern zu verlassen. Also tigerten wir alle vier rastlos durch unser Haus, das immer enger zu werden schien.
Letztes Wochenende sank meine Laune dann endgültig auf den Tiefpunkt. Samstag Morgen stellte ich fest, dass sich die Sohle meiner teuren Lieblingsstiefel löste. Gleich auf beiden Seiten. Die Stiefel, aus Deutschland importiert, hüte ich wie einen Schatz. Das raue dänische Wetter fordert jedoch seinen Tribut.
Für Samstag Nachmittag hatte ich mir vorgenommen, meinen Kleiderschrank aufzuräumen. Etwas lustlos öffnete ich den Schrank und wollte mich an die Arbeit machen. Doch beim Anblick der Klamotten verging mir der Elan. Der Farbmangel am dänischen Winterhimmel spiegelt sich exakt in meiner skandinavischen Winterkleidung wieder: Schwarz, anthrazit, mausgrau, mittelgrau, beige, braun, hellgrau. Nicht zu vergessen schwarz. Kein einziger Farbtupfer war zu erkennen. Mit ein zwei Stündchen Aufräumen war es hier nicht getan. Der Kleiderschrank brauchte eine Generalüberholung für den Frühling! Sofern dieser überhaupt jemals kommt…
Januar und Februar in Skandinavien: Keine leichte Aufgabe fürs Gemüt. Ich brauchte dringend neue Energie!
Und wo holt man sich diese, wenn man in Dänemark lebt? Am Meer! Ich beschloss spontan, mit meiner Familie ans Meer zu fahren. Nicht an den Roskilde Fjord, nicht an den Isefjord. Ans „richtige“ Meer!
Zwei Monate zuvor hatte ich nämlich durch Zufall festgestellt, dass die Küste bei Liseleje in Nordseeland und damit das offene Meer genauso schnell zu erreichen sind wie unser bevorzugter Strand am Isefjord. Dies herauszufinden, hat zwar über drei Jahre gedauert, aber besser spät als nie. Ich überzeugte Mann und Kinder von meiner spontanen Idee und 45 Minuten später waren wir am Liseleje Strand.
Wenn Engel reisen: Als wir den Strand betraten, kam die Sonne für eine halbe Stunde hervor. Der Wind zerrte an unserer Kleidung und peitschte die Wellen an den Strand.
Ich war erleichtert zu sehen, dass die Stürme Dagmar und Egon den Strand bei Liseleje nicht nennenswert verändert haben. Ich persönlich konnte jedenfalls nur kleine Unterschiede feststellen, die höchstwahrscheinlich einfach daher rührten, dass Flut war, als wir an den Strand kamen.
Da es am Strand sehr zugig war und Wind und Wellen eine ordentliche Geräuschkulisse darstellen, streikte mein kleiner Sohn nach einer halben Stunde. Wir zogen uns daher in die etwas windgeschütztere Dünenreihe zurück und spazierten hier weiter.
Selten haben wir uns nach einem Ausflug phantastischer gefühlt als nach diesem! Nach zwei Stunden an der frischen Luft, mit Ausblick aufs wilde, offene Meer, kehrten wir zum Auto zurück. Wir waren wie ausgewechselt.
Der Frühling wird schon wieder kommen, ganz sicher! Die Tage werden ja schon seit Wochen heller, wir achten nur zuwenig darauf. Nun wird es erst nach 17 Uhr stockdunkel, und nicht mehr wie bisher um 16 Uhr. Nicht mehr lange, und die Sonne gewinnt auch wieder öfter die Oberhand.
Und was den Kleiderschrank angeht: Hier werde ich einfach neue Farben einziehen lassen. Dass ich – seit ich Mutter bin – kaum Zeit zum Shoppen habe, ist in Zeiten des Internets ja glücklicherweise kein Problem mehr. Ich bestelle einfach spät abends vom Sofa aus, bei einem Online-Fashion-Shop.
Und die Stiefel bringe ich zum nächsten Schuhmacher. Es kann darüber hinaus auch nicht schaden, gleich noch ein Paar neue dazuzukaufen 🙂 Feste Stiefel kann man hier oben im Norden neun Monate lang im Jahr tragen und somit gar nicht genug davon im Schuhschrank haben.
Mit diesen Gedanken sah die Welt schon viel bunter aus. Und als wollte die Natur mir zustimmen, zeigte sich am Winterhimmel zwischen den aufziehenden Wolkenfronten ganz plötzlich ein schillernder Fleck.
Solch ein Phänomen habe ich vorher noch nicht gesehen… Eine Art Regenbogen, nur ohne Bogen 🙂
Es ist mir aus dem Auto heraus gelungen, das Naturschauspiel mit dem Foto einzufangen. Kurz darauf schoben sich schwarze Wolken vor den „Regenbogenfleck“.
Ich habe die Botschaft des Himmels aber verstanden!
Wunderschöne Bilder – danke!
Oh, wie schön. Mit Liseleje und den Stränden zwischen Liseleje und Tisvildeleje verbinden wir tolle Urlaubserinnerungen an den vergangenen Sommer. Ende Juli hatte der dänische Sommer noch mal richtig Gas gegeben. Auch die Einheimischen waren total aus dem (Ferien-)Häuschen und das „udeliv“ wurde mit Hingabe zelebriert. Es waren großartige Tage dort. Wenn ihr dort lebt, seid ihr zu beneiden!
Hallo Lambert,
ja es ist einfach herrlich dort.
Und wenn dann noch ein toller Sommer dazukommt…. unschlagbar. Wie die meisten dänischen Küsten.
Wir leben etwa 45 min entfernt von dieser Küste und schätzen die Nähe zum Wasser.
Schöne Grüße
Mary
Eine Regenbogenfleckbotschaft? Der muss man folgen 😉
Alles Liebe, Emily
Jawoll, liebe Emily, ich folge ihr. Es ist nur schwierig, denn nun ist es schon wieder so grau. Ich glaube, ich brauche noch so eine Regenbogenfleckenmessage….
Schöne Grüße
Mary
Ich kann Dich so gut verstehen. Mir geht geht es immer ganz genau so zum Ende der Winterzeit. In den Läden beginnt auch schon langsam die Frühlings- und Sommermode. Am liebsten würde ich mir gleich die neuesten Sommeroutfits bestellen und anziehen… Traumhafte Bilder.
LG Vicky
Ja, Victoria, es wird wirklich Zeit für Frühling und Sommer. Hier ist es schon wieder so grau…..
Seufz, Mary
In Liseleje ist meine Tochter geboren. Da kommen schöne Erinnerungen hoch. Super Fotos! VG Andi
Hallo Andreas – nanu, Eure Tochter ist hier geboren? Wie das? Im Urlaub? Gibt es da überhaupt ein Krankenhaus? Oder habt Ihr hier gewohnt? Erzähl mal. Jedenfalls toll, wenn durch meinen Blog gute Erinnerungen entstanden sind. Schöne Grüße aus dem Grau
Mary
Aaaaah,was für ein wunderbarer Post,du musst nicht denken,in Berlin wäre das Wetter heller oder schöner,nein nein!
Schöne Fotos,man fühlt förmlich den Wind!Will auch da hin!
Kat
Hallo Katja, das beruhigt mich fast ein bisschen. Dann sitzen wir alle im gleichen Boot, äh GRAU(EN). Aber der Frühling kommt bestimmt. Durchhalten…
Herrlich! Das können wir, auch mit zwei Kleinkindern ausgewandert, so gut nachvollziehen! In Nordjütland war es auch nicht sonniger. Höchstens windiger.
Ach ja, der schöne Regenbogenfleck war vermutlich eine „Nebensonne“. ☺
Aha, Alex, eine Nebensonne 🙂 Hört sich interessant an. Was ist das denn? 🙂
Ja Alex, wir müssen uns noch etwas gedulden… Bei uns ist es jetzt (April) immer noch viel zu windig. Aber lange kanns ja nicht mehr dauern….
Hej oder Moin moin wie man in Hamburg sagt,
Ich habe Deinen Blog jetzt ein paar mal gelesen und lese das du in Dänemark angekommen und voll integriert bist. Nach mehr als 7 Jahren ist Dein Projekt „Auswandern“ vollends geglückt. Das ist toll!!!
Ich schreibe zum ersten Mal ein Kommentar bzw überhaupt in einem Blog. Ich weiß gar nicht ob Du das hier noch liest….
Ich wünschte bei mir wäre das auch schon so weit…
Habe lediglich den Wunsch auszuwandern und die Sehnsucht nach Dänemark. Scheune mich aber den Wunsch in die Tat umzusetzen. Ähnlich wie bei dir am Anfang, wo du dir auch noch nicht ganz so sicher warst. Darum lese ich so viel übers auswandern und habe deinen Blog entdeckt.
Allerdings habe ich schon Kinder und einen Mann (alle deutsch). Und der Mann ist auch noch nicht ganz überzeugt. Obwohl er jeden Tag seufzt und hier weg will. Hin zu den Wellen und dem Wind.
Dein Blog hilft jedenfalls sehr bei meiner Pro und Kontra Liste und obwohl wir schon einige Jahre nach Dänemark fahren habe ich durch dich einiges neues erfahren.
Liebe Melanie,
danke für Deine Nachricht.
Natürlich lese ich die Kommentare noch, auch mit großem Interesse. Auf dem Blog ist es etwas ruhiger geworden, weil ich ein Buch über Dänemark schreibe und mich sehr bemühe, dass dies auch spannend wird für die künftigen Leser 🙂
Ja, ich bin absolut integriert und sehr zufrieden mit meinem neuen Heimatland.
Ich kann mir vorstellen, dass die Entscheidung eine sehr viel schwerere ist, wenn man bereits Familie gegründet hat und somit schon viel weiter verwurzelt ist als ich es damals war.
Ich wüsste nicht , ob ich es schaffen würde – da müssten schon zumindest die erwachsenen Familienmitglieder absolut beide dahinterstehen.
Wichtig ist auf alle Fälle, dass man einen Job hier findet – ich würde heute ohne Job nicht mehr auswandern. Das war zu meinen Zeiten noch anders, damals herrschte hier Vollbeschäftigung und es wurde von den Firmen händeringend Arbeitskräfte gesucht, in fast allen Branchen. Ich hatte es somit einfach.
Die Sprache ist natürlich auch das A und O, was damals ebenfalls nicht so wichtig war.
Ich freue mich, wenn ich Dir helfen kann, die Dinge etwas besser zu beleuchten.
Viel Glück bei Eurer Entscheidungsphase und viel Freude beim nächsten DK-Urlaub.
Liebe Grüße
Mary