Hatte ich mir etwas in den Kopf gesetzt, musste die Umsetzung jetzt und sofort erfolgen. Diese Eigenschaft lernte mein Däne gleich am Projekt „Fahrrad“ kennen. Von meiner Bedarfsanmeldung bis zum Kauf des begehrten Objektes vergingen weniger als 24 Stunden.
Wir gingen ins Internet und sahen die Anzeigen bei „Den Blå Avis“ durch („die blaue Zeitung“), die dänische „Sperrmüll-Zeitung“. Schnell wurden wir auch fündig. Einige Vororte weiter wurde ein günstiges, gebrauchtes Damenfahrrad zum Verkauf angeboten. Mein Freund rief für mich dort an und vereinbarte die Abholung am nächsten Tag.
Eine Schönheit war das Fahrrad nicht. Aber es erfüllte seinen Zweck, hatte zwei Körbchen und der Preis war in Ordnung (umgerechnet 70 Euro). Und schon war ich stolze Besitzerin eines dänischen Fahrrads.
Damit konnte ich auf die Schnelle 5 Minuten in die Stadt reinfahren, um etwas zu erledigen. Einkaufen stellte ab diesem Zeitpunkt ebenfalls kein stundenlanges Projekt mehr dar. Die Tüten mit meinen Schätzen transportierte ich nun entspannt in den Fahrradkörbchen nach Hause. Das Trinken von Wasser aus dem Wasserhahn stellte ich postwendend wieder ein! Mit vergleichsweise geringem Aufwand transportierte ich mein geliebtes Mineralwasser literweise aus dem nächsten Supermarkt zu uns nach Hause.
Das Fahrrad – eine kleine Errungenschaft mit großer Wirkung!
Der Drahtesel bedeutete für mich eine große Erleichterung und Zeitersparnis. Gleichzeitig war das Fahrrad und meine Mobilität ein weiterer Schritt zur Integration ins neue Land. Denn nun konnte ich hin und wieder auf eigene Faust meine neue Heimat erkunden.
Nachdem wir mit den beiden Wohnungen nun fast fertig waren, hatte ich nach meinen vormittäglichen Telefonschulungen plötzlich Freizeit. Viele Stunden ganz ungewohnte Freizeit, mit der ich zunächst nicht so recht etwas anzufangen wusste. Was sollte ich mit dieser Zeit anstellen? Wo konnte ich hingehen? Ich kannte ja hier oben noch niemanden.
Mit der freien Zeit kamen nach und nach auch trübe Gedanken an die alte Heimat… Ich fühlte mich einsam und traurig, wenn ich in den Mittagsstunden alleine war. Da war es, das Heimweh!
Ich musste raus aus meinen 4 Wänden. Etwas anderes sehen und mich ablenken. Licht tanken. Nichts lag daher näher als ein Ausflug ans Meer, um mir wieder ins Gedächtnis zu rufen, was ich an der neuen Heimat so schätzte.
Ich schwang mich daher eines Tages auf mein Fahrrad und machte mich auf den Weg an die Küste. 10 Kilometer waren es von Lyngby bis zum nächsten Strand nach Klampenborg. Das hörte sich nach einem Katzensprung an. Dänemark war bekanntermaßen ein sehr flaches Land. Doch ausgerechnet zwischen Lyngby und Klampenborg befand sich ein Berg. An dessen Steigung lernte ich alle Nachteile eines älteren Fahrrads mit nur 3 Gängen kennen. Ohnehin war ich Fahrradfahren überhaupt nicht gewöhnt. Ich musste mich sehr abstrampeln, fluchte und japste, und mit einigen Unterbrechungen kam ich schließlich oben an.
Oben angekommen brauchte ich erst mal eine kleine Verschnaufpause. Es war ein herrlicher Herbsttag, ein bisschen trüb, jedoch war es draußen an der frischen Luft doch viel heller, als es von drinnen in der Wohnung aus aussah.
Ich ließ mein Fahrrad stehen und spazierte ein paar Minuten in den herbstlichen Wald hinein. Dabei entdeckte ich einen kleinen See.
Nachdem meine Kräfte wieder zurückgekehrt waren, setzte ich meine Fahrt ans Meer fort.