Reaktionen

Erwartungsgemäß änderte der erste gemeinsame Urlaub nichts an meiner Entscheidung! Wir verbrachten 2 tolle Wochen zusammen und es dauerte nach einem fürchterlichen Abschied ein paar Tage, bis ich mich wieder gefangen hatte. Danach rappelte ich mich auf und machte meine Kündigung offiziell.

Mit meinem Chef handelte ich eine Halbtagsstelle bis zum Ende des Jahres aus. Per Home Office aus Kopenhagen sollte ich den oder die Nachfolger/in nach einer persönlichen Einarbeitung noch einige Monate begleiten und unterstützen.

Ich beschloss, die Auswanderung danach für eine Auszeit zu nutzen und mir einige Monate „Pause“ zu gönnen. Viel zu lange schon lebte ich mit Stress-Symptomen. Das erste Mal in meinem Leben würde ich ganz mein eigener Herr sein. Das wollte ich auskosten und ein Weilchen ohne täglichen Arbeits- und Leistungsdruck leben. Mal wieder den „Luxus“ der Langeweile verspüren.  Und das so lange, bis aus der Langeweile heraus neuer Elan und Energie entstand, sich in eine neue Herausforderung zu stürzen. Den Gedanken an diese Auszeit fand ich phantastisch.

Ich informierte meine Familie, Freunde und Kollegen über die geplante Auswanderung nach Kopenhagen. Die Reaktionen waren gemischt.

Der engste Familienkreis hatte meinen dänischen Freund zwischenzeitlich kennengelernt und „abgesegnet“. Von dieser Seite erhielt ich volle Unterstützung, wenn natürlich auch mit einem weinenden Auge.

Mein Freundeskreis war überrascht, dass es plötzlich so schnell gehen sollte mit meinem Umzug ins Ausland. Vor nächstem Jahr hatten die wenigsten sich das vorstellen können. Viele hatten aber generell mit meiner Auswanderung gerechnet. Auch hier freute man sich für mich, war gleichzeitig aber auch etwas betrübt, dass ich so weit wegziehen würde von der Bergstraße.

Unser Buchhalter amüsierte sich über die Wahl meines neuen Wohnortes im Norden, da ich eine äußerst verfrorene Person bin und im Winter ständig fror. „Was wollen denn ausgerechnet SIE bei den Eskimos da oben?“, war seine Anmerkung, als ich von meinem geplanten Umzug im Oktober berichtete.

Der Marketingleiter rief mich eines Tages an und fragte ohne Umschweife, wie lange ich „den jungen Mann aus Kopenhagen denn eigentlich schon kennen würde“… Die Antwort „6 Monate“ rief ein vielsagendes Schweigen am anderen Ende der Leitung hervor. Ich versuchte zwar noch zu erklären, dass der „junge Mann aus Kopenhagen“ nicht GRUND sondern AUSLÖSER für meine Kündigung war, aber das hierauf folgende Schweigen war ähnlich aussagekräftig wie das erste.

Eine andere Kollegin äußerte ihre Bedenken wegen der fehlenden Renteneinzahlungen. Schließlich würde ich einige Monate lang nicht in eine Rentenkasse einzahlen, bis ich einen neuen festen Job hatte. Ob sich das später nicht einmal rächen würde?
Auf den Gedanken war ich nicht einmal gekommen. Wer wusste schon, ob ich das Rentenalter überhaupt erlebte, um von einem lebenslangen und lückenlosen Fleiß profitieren zu können… Nein, ich lebte im Hier und Jetzt und freute mich auf den Luxus, eine Zeit lang ohne Fesseln zu leben. Die fehlenden Monate würde ich zu gegebener Zeit eben dranhängen, sofern das aktuell wurde. Nein, die Auszeit MUSSTE sein!
Wenn nicht jetzt, wann sonst?

Alle waren äußerst gespannt, wie es mir in Dänemark ergehen würde und wollten das Abenteuer von Zuhause aus mitverfolgen.

In diesen Wochen hörte ich wie oft den Satz: „Wie mutig Sie sind, eine solche Entscheidung zu treffen!“
Ich selbst empfand mich weder als besonders mutig noch hatte ich das Gefühl, aktiv eine große Entscheidung getroffen zu haben. Vielmehr hatte sich ein spannender Weg in meinem Leben entwickelt, ich war zaghaft einen kleinen Schritt in die neue Richtung gegangen und wurde daraufhin von den Ereignissen mitgerissen. Es war eine natürliche Folge der Dinge.

Nichtsdestotrotz hatte ich mittlerweile vermehrt die Sorge, ob ich so weit weg von meiner Familie glücklich leben können würde. Ich war ein Mensch mit Heimweh-Anwandlungen nach 2 Wochen Urlaub in fremden Gefilden 🙂 Wie würde das mit meinem Umzug nach Kopenhagen zusammen passen? Das würde sich erst noch herausstellen müssen.

In diesen Wochen nach der Entscheidung für den Umzug war ich oft gereizt. An meinen spärlichen freien Tagen in Deutschland zog ich mich zurück. Mein Telefon klingelte ständig, und oft nahm ich gar nicht ab. Ich war überall DAS Thema und wurde wieder und wieder zu Details interviewt. Am Anfang fand ich es spannend, so im Mittelpunkt zu stehen. Jede erneute Erzählung über die neuen Entwicklungen bestärkten mich, das Richtige zu tun. Aber mittlerweile kostete es mich zuviel Kraft, mich wieder und wieder zu erklären.

Ich stand ständig unter Strom. Eine riesige Veränderung stand bevor und mein Körper reagierte auf all die Aufregung. Ich war hypernervös und hatte öfters starkes Herzklopfen. Ich konnte abends nicht einschlafen, weil ich keine Ruhe fand. Und am nächsten Morgen war ich müde und aufgekratzt zugleich.

Daher begann ich, nach der Arbeit noch eine halbe Stunde Sport zu treiben, um meinen Adrenalinpegel auf ein erträglicheres Maß zu senken. Das half ein wenig und beim Laufen durch die Felder der Bergstraße ordnete sich oft das Chaos in meinem Kopf. Ich begann, To-Do-Listen für die zahlreichen Erledigungen im Zusammenhang mit einem Umzug ins Ausland zu erstellen.

Schließlich buchte ich alle noch ausstehenden Flüge und Züge für die letzten 3-4 Monate der Fernbeziehung auf einen Schlag.

Nur einen Flug buchte ich noch nicht. Ich brachte es einfach noch nicht über mein Herz.
Das One-Way-Ticket.
Frankfurt-Kopenhagen
Hinflug – ohne Rückflug.

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3 Kommentare zu „Reaktionen“

    1. Hallo Katja,
      dankeschön – Fortsetzung wird absolut garantiert. Ich habe ja erst begonnen 🙂
      Der nächste Beitrag steht schon, muss nur noch redigieren und veröffentlichen.
      Von daher: Bis bald 🙂

  1. Hallo!
    Wie schön ist dieser Text geschrieben!
    Mir erging es sehr ähnlich wie Dir. Ich bin auch 1000km in den Norden gezogen, hatte einen guten, sicheren Job.
    Ich hatte (noch) keinen Partner dort, aber wollte einfach mal etwas Neues sehen. Der Gedanke kamimmer wieder und lässt einen dann nicht mehr los. Jetzt bin ich seit 1,5 Jahren in Hamburg, und obwohl ich immer Österreicherin bleiben werde, ist es auch Heimat in Hamburg!

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