Die Zeit verging wie im Fluge.
Jedes Jahr im Sommer standen im Job zusätzliche Themen an, die viele Überstunden forderten. Ich arbeitete immer noch an Samstagen, manchmal auch stattdessen an einem Sonntag. Wenn ich abends geschlaucht heimkam, wartete die To-Do-Liste auf mich mit all ihren Erledigungen rund um die geplante Auswanderung nach Dänemark.
Begonnen hatte ich damit, sämtliche Papiere und Finanzen zu ordnen, um einen Überblick zu erhalten. Daraufhin mussten verschiedene Behörden informiert, Banken angeschrieben, Verträge gekündigt, Nebenkosten-Pauschalen bei den Versorgungsbetrieben gesenkt sowie Telefon-, Handy- und Internetverträge gekündigt werden. Die Liste wurde immer länger.
Ich ging systematisch meine Wohnung durch, entsorgte unnötiges, räumte auf und überlegte mir, was ich im ersten Schritt für meine Auswanderung mitnehmen wollte. Ich würde mit einem Gepäckstück nach Kopenhagen fliegen, das 20 Kilogramm wiegen durfte. Dazu 1-2 Handgepäck-Stücke und das wars auch schon. Auswandern mit leichtem Gepäck. Ich konnte somit nur das Allernötigste für die ersten Monate mitnehmen und das wollte geschickt gewählt sein.
Ich lernte zusätzlich zu all diesen Erledigungen täglich weiterhin Dänisch und war fast am Ende des Sprachprogrammes angelangt. Mittlerweile las ich meinen ersten Krimi „Isprinsessen“ auch recht flüssig. Mails und SMS gingen mir gut auf dänisch von der Hand. Ich hatte allerdings trotz meiner Fortschritte eine große Hemmung, mit meinem Dänen dänisch zu sprechen und unsere Beziehungssprache blieb somit weiterhin englisch.
Die Tage, die ich in Kopenhagen war, brachten auch gemischte Gefühle mit sich. Nun waren die Besuche nicht mehr länger nur ein spannendes Abenteuer. Noch 2 Monate und Lyngby würde meine neue Heimat sein!
Mein Däne erhielt plötzlich von seiner Andelsboligforening (Genossenschaftswohnungsverein) eine Einladung zur Besichtigung einer anderen Wohnung im Christiansgården. Er erklärte mir, dass er weit oben auf der Warteliste für eine größere Wohnung stand.
Dabei war die jetzige Wohnung in meinen Augen perfekt. Sie war mir vertraut und als Maisonette-Wohnung mit 2 Stockwerken schön geräumig. Ich fühlte mich bereits ein bisschen zuhause in der Wohnung. Und das würde ein Stück Halt für mich bedeuten, die ich in der ersten Zeit in der Fremde sicher brauchen konnte. Daher wollte ich die Wohnung am liebsten behalten. Auch wenn sie ihre Eigenheiten hatte, z.B. keine Heizung im Bad. Hier würden wir das Bad renovieren müssen, denn ein Bad ohne Heizung in einem kalten, skandinavischen Land und eine verfrorene deutsche Einwanderin waren keine besonders glückliche Kombination. Zwischenzeitlich hatte ich mich auch daran gewöhnt, dass der dänische Standard generell ein wenig anders war als der mir bekannte… Wände, Böden, Malerarbeiten, das Badezimmer – alles war etwas weniger ordentlich ausgeführt als ich das von Deutschland gewohnt war.
Mein Freund besichtigte die andere Wohnung, ebenfalls eine Maisonette-Wohnung unter dem Dach, die nur 2 Hausnummern weiter entfernt lag. Sie war etwas größer als die jetzige und hatte anstelle einer steilen „Platzspar-Treppe“ eine ordentliche Treppe mit breiten Stufen. Außerdem ein frisch renoviertes Badezimmer mit Heizung (!) und eine Küche/Wohnraum in offener Bauweise. Nach der Besichtigung ließ mein Freund sich sofort als Kaufinteressent eintragen.
Hierüber war ich nicht sonderlich begeistert, da ich mein klitzekleines Stückchen Comfort Zone dahinschwinden sah. Ich klammerte mich bei meinen Gedanken an die Zeit nach der Auswanderung oft an dieses kleine Stückchen „Zuhause“.
Mein Freund war Nr. 3 auf der Warteliste. Warteliste, das hatte für mich kommunistische Züge. Die Vergabe solcher Genossenschaftswohnungen geschieht anhand von Wartelisten. Die Preise für einen Anteil an der Genossenschaft stehen fest. Es wird nicht die Wohnung an sich gekauft sondern ein Anteil an der Genossenschaft, abhängig von der Wohnungsgröße. Man kann lediglich diesen Kaufpreis bieten – oder bei einem schlechten Immobilienmarkt auch weniger. Bieten mehrere Interessenten den festgelegten Kaufpreis, so erhält derjenige den Zuschlag, der auf der Warteliste am weitesten oben stand. Mein Freund bot den maximal möglichen Preis – nun kam es also auf Nr. 1 und Nr. 2 der Warteliste an.
Insgeheim hoffte ich auf eine Absage. Doch es dauerte nicht lange, und mein Freund erhielt die Zusage. Und ich verabschiedete mich vom Gedanken an eine klitzekleine Comfort Zone nach meinem Umzug. Die würde ich mir erst wieder erarbeiten müssen.
Damit spitzten sich die Erledigungen auch bei meinem Dänen zu für die nächsten Monate. Termine mit der Bank, Kreditaufnahme, Pfandbriefe regeln, Kaufvertrag schließen und Verkauf der jetzigen Wohnung (über die Warteliste). Nebenbei standen Prüfungen an für den Abschluss einer Ausbildung, die gerade in den letzten Zügen war. Die Prüfung hierfür fand Ende September statt, der Umzug in die neue Wohnung Anfang Oktober und eine Woche später zog ein deutsches, entwurzeltes Nervenbündel mit in die neue Wohnung 🙂 Auch kein schlechtes Programm.
Meine Stimmung wechselte täglich zwischen euphorisch und niedergeschlagen. Die Kommunikation über 1000 Kilometer wurde anstrengend. Aufgrund des beidseitigen Stressniveaus kam es zu Missverständnissen und Reibereien. Aus der Ferne und trotz eigenem straffen Programm versuchten wir jedoch dennoch, den anderen so gut es ging zu unterstützen.
In den Tagen, in denen wir uns sehen konnten, tankten wir so gut es ging auf und stürzten uns danach wieder in die nächste getrennte Etappe. Die Nerven lagen so langsam bei uns beiden blank.
Mein Chef legte mir eines Tages einen interessanten Artikel auf den Schreibtisch. Kopenhagen und Barcelona waren unter allen europäischen Hauptstädten gemeinsam zu den beiden lebenswertesten europäischen Hauptstädten gekürt worden. Die Jury konnte sich offenbar nicht auf eine einzige Nr. 1 festlegen und vergab den Titel in diesem Jahr somit zwei Mal.
Im Artikel wurde auch erwähnt, dass Dänemark weiterhin – wie auch die Jahre zuvor – das „glücklichste Land“ weltweit darstellt.
Die Wahl meines neuen Wohnortes stand offenbar unter guten Vorzeichen.
Ich nahm meinen Mut zusamen und buchte das One-Way-Ticket:
Hinflug Frankfurt – Kopenhagen. Samstag, 13. Oktober 2007, 20 Uhr.
Ohne Rückflug.
Habe gerne wieder mitgelesen & freue mich auf den Rest deiner Geschichte! 🙂
Hej Katja,
das freut mich 🙂
Noch ein Beitrag ueber meine Zeit in Deutschland und dann gehts los mit den Beiträgen ueber die erste Zeit in DK.
LG
mary
Ich finde deinen Blog so spannend! Ich habe heute schon den ganze Tag gelesen und freue mich selbst auf meinen dritten Dänemarkurlaub (mit Freunden im Ferienhaus an der Nordsee). Leider können wir kein Wort dänisch, aber wir hatten in den Geschäften schon oft nette Leute, die uns Lebensmittel übersetzt haben (wenn wir mal wieder kein Internet hatten :D)
Viele Grüße 🙂
Hallo Anne-Christin,
vielen Dank für das nette Lob – das freut mich sehr!!
Die Dänen sind ja meist sehr hilfsbereit, und irgendwann bleibt das ein oder andere Wort Dänisch auch hängen 😉
Wenn man immer wieder zurückkehrt und von der DK-Sucht gepackt wird.
Schöne Zeit
Mary