Die Programmplanung für den heutigen Urlaubstag wurde uns abgenommen.
Nach dem Frühstück saßen wir Eltern etwas unschlüssig am Esstisch und blätterten im „Ringkøbing Fjord Guide 2014“, dem Touristen-Wegweiser für die Gegend, den wir von DanWest ausgehändigt bekommen hatten.
Die beiden männlichen Familienmitglieder hatten bereits eine kleine Frühaufsteher-Tour zum Strand hinter sich und berichteten von einem eisigen Wind da draußen.
Ich hatte einen Ausflug nach Søndervig im Kopf. Mein Mann bezweifelte jedoch, dass mein Gesundheitszustand für eine größere Tour bei diesem Wetter geeignet war.
Dabei ging es mir schon ein bisschen besser. Stachen mich gestern bei jedem einzelnen Schluckvorgang noch mindestens 27 Messer im Hals, waren es heute nur noch 16. Ich blickte auch nicht mehr alle fünf Minuten verzweifelt auf die Uhr, wann es endlich Zeit für die nächste Schmerztablette war sondern konnte den empfohlenen Zeitraum bis zur nächsten Einnahme ganz gut durchstehen.
Ich blätterte durch die bunten Seiten des Ringkøbing Fjord Guides und las zur Inspiration meiner Familie ein paar Passagen laut vor. Als ich zu einem Abschnitt mit den drei harmlosen Worten „Drachen steigen lassen“ gelangte, brach unsere vierjährige Tochter in lautes Freudengeheule aus. Ihr kleiner Bruder starrte sie überrascht an und beschloss dann aus reiner Loyalität mitzuheulen.
Das Tagesprogramm war damit besiegelt. Wir mussten lediglich noch einen Drachen auftreiben. Wenig später fuhren wir los, die Kinder voller Erwartungsfreude. Ziel: Das Drachengeschäft in Hvide Sande kurz vor der Schleuse. An diesem waren wir schon mehrfach vorbeigefahren. Dort angekommen, stellten wir fest, dass das Geschäft in der Nebensaison geschlossen hatte. Gibt es überhaupt eine Nebensaison fürs Drachensteigen lassen?
Fieberhaft überlegten wir weitere Möglichkeiten. Irgendwo mussten wir einen Drachen finden! Koste es, was es wolle. Wer kleine Kinder hat, weiß, wie stark man an voreilig ausgesprochene Versprechen gebunden ist. Bzw. kennt die Folgen des Nichteinhaltens…
2. Versuch. Mein Mann steuerte den Second-Hand-Shop des Roten Kreuzes an. Womöglich hatten einige Feriengäste ihre Drachen vor der Heimfahrt hier abgeliefert. Ein etwas alternativer Gedanke, der zwar nicht zu einem Drachen führte aber stattdessen zu der Information, dass wir es einmal im Spielzeuggeschäft in Hvide Sande versuchen sollten.
3. Versuch: Spielzeuggeschäft in Hvide Sande. Sohnemann verliebte sich dort in einen Traktor, einen Autoanhänger und mehrere Autos. Einen Drachen fanden wir nicht. Der Inhaber des Geschäfts schickte uns in den Buchladen um die Ecke.
4. Versuch: Hier hatten wir die Wahl zwischen 30 verschiedenen Drachen in allen Größen und Farben. Viele davon waren im Ausverkauf. Hier kam uns die Nebensaison zugute.
Wir kauften gleich zwei Drachen und fuhren an „unseren“ Strand. Der Wind kam von landeinwärts, so dass es am Strand nicht ganz so stürmisch war wie auf der Düne oder am Fjord.
Wir bauten in Windeseile die beiden Drachen zusammen. Dabei mussten wir stark aufpassen, dass die diversen Einzelteile sowie die Hüllen nicht wegflogen.
Eine der Hüllen sammelten wir einige Zeit später mehrere hundert Meter weiter wieder auf – sie war uns entwischt.
Ich habe schon seit Ewigkeiten keinen Drachen mehr steigen lassen und ganz vergessen, wieviel Spaß das macht 🙂
Besonders bei dieser phantastischen Kulisse!
Mein Mann und ich wurden wieder zu kleinen Kindern. Am liebsten hätte ich meiner Tochter ihren Drachen aus der Hand gerissen.
Gut, dass mein Mann noch einen zweiten Drachen für uns Erwachsenen gekauft hatte. Sohnemann mampfte zwischenzeitlich ein Brötchen und begutachtete misstrauisch die unbekannten bunten Flugobjekte am Himmel, dazu die jauchzenden Eltern.
Vor lauter Spaß vergaßen wir die Zeit komplett…
Erst als Sohnemann und wenig später auch die große Schwester in Tränen ausbrachen, dass sie nun also WIRKLICH sehr müde und hungrig seien, kamen wir in die Realität zurück.
Wir packten die Drachen zusammen und spazierten zurück ins Ferienhaus. Herrlich, vom Wind so durchgepustet zu werden und danach ins Warme zu kommen!
Ich habe eine leise Ahnung, wie das morgige Programm aussehen könnte….
Fortsetzung:
Urlaub an der dänischen Westküste: Farvel und Fazit