Seit 2 Wochen leben wir wieder das dänische Familienmodell.
Mein Mann hat seinen neuen Job begonnen, ich muss deutlich mehr Aufgaben in der Kinderbetreuung und im Haushalt übernehmen, und die Kinder müssen ein gutes Stück früher aufstehen und sich wieder auf etwas gestresstere Eltern einstellen.
Aller Anfang ist hart! Man unterschätzt leicht die die ungesunde Dynamik der Arbeitslosigkeit…
Als sich vor einem knappen halben Jahr abzeichnete, dass mein Mann nicht auf Dauer in seinem Job bleiben wird, haben wir die Entwicklungen grundsätzlich begrüßt. Das hektische dänische Lebensmodell hatte bei uns Spuren hinterlassen. SO hatte ich mir das Leben mit zwei kleinen Kindern eigentlich nicht vorgestellt. Wir freuten uns daher auf eine Zeit, in der wir nicht jede Minute möglichst effektiv und zielbringend verplanen mussten.
Die neue Situation genossen wir monatelang sehr. Wir empfanden es als herrlichen Luxus, dass ein Elternteil entspannt Kinder, Hausprojekte und Haushalt managen konnte, während der andere arbeitete. Keine Sorge mehr, wie der nächste Krankheitstag des Kindes am besten untergebracht werden konnte, wie und wann in der spärlichen Freizeit der Kühlschrank aufgefüllt werden musste, ob und wann der Haushalt mal wieder auf Vordermann gebracht werden sollte und wann generell mal wieder eine Pause für einen von uns Eltern anstehen könnte.
Nach 3 Monaten wendete sich jedoch klammheimlich das Blatt. Eine neue Dynamik hielt Einzug in unseren gemütlichen Alltag. Jedoch keine sonderlich positive. Mein Mann, ein stets gut gelaunter Mensch mit viel Energie, war plötzlich abends gereizt. Waren abends die Kinder wie üblich außer Rand und Band, überreizt von ihrem anstrengenden Tag, war er es plötzlich, der die Nerven verlor. DAS war eigentlich MEINE Rolle. Und mein Mann der Ruhepol. Nun musste ich plötzlich der Fels in der Brandung sein!
Mein Mann fühlte sich tagsüber einsam. Zwar war er ausgefüllt mit allen möglichen kleineren und größeren Renovierungen, aber meist war er ganz für sich, ohne jegliche Ansprache. Tagsüber Einsamkeit und abends Trubel und Kleinkind-Chaos. Der Unterschied konnte nicht krasser sein.
Die Familie begann, nur noch von meinem externen Input zu leben. Nur noch von meiner positiven Stimmung zu zehren. Ich empfand das zunehmend als Druck. Würde ich diese Rolle auf Dauer alleine ausfüllen können?
Wohlgemerkt: Mein Mann schlug sich tapfer. Er lag in den ganzen 4-5 Monaten nicht einmal auf der faulen Haut. Er erledigte Dinge und Projekte, die wir mit dem stressigen dänischen Lebensmodell in 5 Jahren noch nicht erledigt hätten. Er schickte regelmäßig Bewerbungen heraus und wurde auch immer wieder zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Er machte den Haushalt und kümmerte sich um das Hinbringen und Abholen der Kinder.
Nichtsdestotrotz ertappte ich mich immer öfter dabei, dass ich ihn abends zu seinen täglichen Aktivitäten befragte. Zwischen den Zeilen die beginnende Kontrolle, was er denn mit den vielen freien Stunden anfing. Bei mir stellte sich Neid auf die vielen, vielen Stunden Pause ein, während ich selbst durch mein straffes Tagesprogramm und den hektischen Alltag hetzen musste.
Zusätzlich hierzu mussten wir natürlich auch finanzielle Einschränkungen vornehmen, auch wenn diese dank unseres eher ländlicheren Wohnortes am Rande von Kopenhagen noch im Rahmen waren.
Als mein Mann Anfang Januar das Jobangebot erhielt, waren wir daher erleichtert. Die beschriebenen Veränderungen hatten gerade erst Einzug gehalten und waren noch nicht besonders weit fortgeschritten. Sie waren jedoch bereits deutlich spürbar und hätten sicherlich sehr bald noch mehr an Gewicht gewonnen.
Voller Elan stürzten wir uns in unseren neuen Alltag. In der ersten Woche mussten wir einige Federn lassen. Das dünne Nervenkostüm meines Mannes forderte seinen Tribut: 3 Tage nach Antritt des Jobs wollte er ihn wieder hinwerfen. Der raue Ton in der Branche, einige nicht eingehaltene Versprechen des Arbeitgebers und die monatelange Gemütlichkeit zuhause, in einer ganz eigenen Welt, ganz ohne Gegenwind, waren keine glückliche Kombination.
Nach vielen Gesprächen mit mir sowie einer konstruktiven Aussprache mit dem Arbeitgeber wurde ein neuer Versuch gestartet. Tag für Tag trainiert mein Mann im normalen Arbeitsalltag seine aufgrund der Arbeitslosigkeit deutlich reduzierte Belastungstoleranzgrenze. Es wird noch etwas dauern, bis das Belastungslevel wieder auf dem gewohnten Niveau ist, aber wir sind auf einem guten Weg.
Die Kinder sind nach einer sehr chaotischen Woche inkl. massiver Reaktionen auf die Veränderungen wieder in einem guten Rhythmus angekommen. Die Stimmung morgens und abends ist wieder einwandfrei.
Ich selbst bin bei den ganzen Veränderungen noch am Besten weggekommen. Meine Belastungstoleranz war schon im Vorfeld hoch. Die zusätzlichen Aufgaben entpuppten sich als weniger anstrengend als gedacht. Eher war ich besorgt um die Kinder und um meinen Mann. Ich bin überrascht, wie vergleichsweise einfach die Kinder in den letzten Monaten geworden sind. Wenn wir morgens aufstehen, sind sie gut gelaunt. Es macht Spaß, mit ihnen zu frühstücken, mit ihnen herumzualbern, sie fertig zu machen und noch ein bisschen spielen zu sehen, bevor wir uns gemeinsam auf den Weg aus dem Haus machen. Das Abgeben in die Kita / Kiga ist ebenfalls um einiges einfacher geworden!
SO sah das noch früher aus:
https://4nordlichter.wordpress.com/2013/12/12/den-mann-mit-der-pfeife-schickt-der-himmel/
Und so ganz früher:
https://4nordlichter.wordpress.com/2013/05/15/tagesbeginn-einer-2fachen-mutter/
Ich bin also weiterhin dankbar für die Auszeit der letzten Monate, die unseren straffen Familienalltag so entschleunigt hat. Und wie schön, dass wir jetzt an einem Punkt weitermachen können, wo die kinderbezogenen Aufgaben ein gutes Stück einfacher zu managen sind.
Die aus einer Arbeitslosigkeit resultierenden Dynamiken für die Familie hatten wir allerdings unterschätzt und sind daher auch sehr froh, wieder in einem normalen Alltag angelangt zu sein. Auch wenn wir sicher noch ein Weilchen gemeinsam kämpfen müssen.
Du bist deiner Familie eine große Stütze, zumal du ein Auge für die Balance hast. Und die nötige Ruhe! Hat man dieses nicht, kann es schnell zu Krisen kommen. Das ist eine gute Leistung, dass du vieles abfedern und dort unterstützen kannst, wo es notwendig ist. Vielleicht muss Norwegen noch etwas warten 😉
Alles wird gut!
Liebe Grüße zu dir, Emily
Danke für diese Einschätzung 🙂 Interessant, dass Du das so bewertest, denn ich selbst sehe mich oft als der Unruhegeist in der Familie… aber vielleicht hat sich das Blatt auch dort (unbemerkt für mich) nach und nach gewandelt. Man kann ja auch als hektische und hibbelige Person generell Ruhe spenden?? Hab ich noch nie hinterfragt.
LG Mary
Dooooch, das kann man bestimmt 😉