Mein Däne holte mich an der Station in Lyngby ab.
Erstmals standen wir uns unter ganz neuen Voraussetzungen gegenüber. Unsere 1000-Kilometer-Fernbeziehung war vorüber. Stattdessen begannen unsere Probezeit für ein gemeinsames Leben. Ein merkwürdiges Gefühl.
Wir machten uns auf den Weg und schleppten mein Gepäck durch die stockdunkle Nacht. Mein Freund war sehr aufgeregt, wie ich „unsere“ neue Wohnung finden würde.
Er war der Ansicht, dass eine neue gemeinsame Wohnung genau das Richtige für unseren gemeinsamen Start in Dänemark war. Ich würde nicht in eine bestehende Wohnung mit einziehen, sondern konnte unsere gemeinsame Wohnung von Anfang an mit aufbauen und nach meinem Geschmack einrichten. Auch wenn ich selbst nicht so begeistert davon war, zum Zeitpunkt meiner Umsiedlung auch noch in eine ganz neue Wohnung ziehen zu müssen und damit völlig entwurzelt zu sein, hätte der Zeitpunkt für diese neue Wohnung seiner Ansicht nach passender nicht sein können. Er ging davon aus, dass ich auf diese Weise viel schneller ein „Zuhausegefühl“ aufbauen konnte. Er war da sehr optimistisch und sicher in seiner Sache. Generell sein Markenzeichen!
Schließlich waren wir im Christiansgården angekommen. Mein Freund öffnete die Tür zur neuen Wohnung und ließ mich eintreten.
Gespannt sah ich mich um. Die Wohnung war etwas größer als die bisherige, und ebenfalls auf 2 Etagen. Der Schnitt der Wohnung und die breite Treppe gefielen mir. Und besonders auch das neu renovierte Bad, das im Vergleich zum üblichen dänischen Standard bei Genossenschaftswohnungen ganz schick und komfortabel war.
Die IKEA-Einbauküche, die die Vorbesitzer ausgewählt und vor kurzem hatten einpassen lassen, gefiel mir dagegen nicht. Die offene Bauweise zum Esszimmer hin war zwar nett und ganz im Trend, aber ich mochte die Farben der Küche nicht. Dunkles Holz mit Rotstich (Kirsche furniert?) – kombiniert mit weißen Elementen. Wer suchte sich bloß eine Küche in diesen Farben aus?
Und der Holzboden war dunkler und abgewohnter als in der vorigen Wohnung. Mir war durchaus bewusst, dass ich ein verwöhntes, deutsches Mädel war… Ich hatte in den letzten Jahren nur in Neubauten gelebt und würde mich eben anpassen lernen müssen. Ich seufzte und wünschte mir die vorige Wohnung zurück. Diese kannte ich wenigstens schon viele Monate.
Ich fühlte mich einfach nur entwurzelt! Und ich wollte ein Bett und eine Decke, die ich mir über den Kopf ziehen konnte.
Doch wo war eigentlich das Bett? Überall standen Umzugskisten herum. Mein Däne hatte nach seiner Prüfung jeden Abend nach Feierabend in der Wohnung gewerkelt. Er hatte sie gründlich geputzt und einige kleinere Dinge renoviert. Dann hatte er mit einem Freund alle großen Möbel aus der alten Wohnung hierher geschafft. Und ein paar Umzugskisten herüber getragen. Das Bett lag jedoch noch in Einzelteilen zerlegt in einer Ecke. Wir würden oben unter dem Dach auf einem Matratzenlager schlafen, erklärte er mir.
Auf dem Tisch stand ein riesiger Strauß mit roten und weißen Rosen. Dazu ein Dänemark-Fähnchen!
„Welcome to Denmark!“
Das freute mich natürlich. Mein Freund merkte jedoch, dass es mir nicht sonderlich gut ging und dass sich meine generelle Begeisterung über die Auswanderung aktuell sehr in Grenzen hielt. Ich konnte kaum etwas hören, meine Ohren waren immer noch dicht, ich konnte nichts riechen und war einfach nur müde. Er nahm meine Reaktionen mit Gelassenheit hin. Wir legten uns in unser Matratzenlager.
Wenige Minuten später war er eingeschlafen. Ich lauschte seinen tiefen, regelmäßigen Atemzügen. Er war – wie ich – auch sehr erschlagen von den Ereignissen der letzten beiden Wochen. Und Morgen wartete viel, viel Arbeit auf uns.
Wieder seufzte ich. Ich wollte endlich zur Ruhe kommen, aber die Ruhe würde nach wie vor noch etwas warten müssen.
Die Nacht wurde sehr unruhig. Jede Stunde wachte ich mindestens einmal auf und tigerte rastlos durch die Wohnung. Ich spähte durch jedes Fenster der Wohnung in die Dunkelheit hinaus und grübelte. Dann versuchte ich wieder zu schlafen. Um kurz darauf wieder aus dem Schlaf hochzufahren und mich erneut ans Fenster zu stellen.
Gegen Morgengrauen wurde ich ruhiger. Ich war plötzlich zuversichtlich, dass ich mich an die neue Wohnung gewöhnen würde. In den nächsten Tagen würden wir noch die restlichen Sachen hierher umziehen, die alte Wohnung herrichten, zum Verkauf setzen und uns gemeinsam in der neuen Wohnung einrichten. Eines Tages würde ich mich hier zuhause fühlen. Jetzt war ich zwar entwurzelt, aber nach und nach würde ich neue Wurzeln schlagen.
Bei diesem Gedanken wurde mir leichter ums Herz. Ich legte mich wieder ins dänische Matratzenlager, lauschte auf die ruhigen Atemzüge meines Freundes und schlief endlich auch für ein paar Stunden tief und fest ein.
Ich finde ihre Beitrage großartig.
Sie haben mich dazu angeregt, in dieses wunderbare Land zu reisen!
Und immer dran denken: Det skal nok gå! 😉
Hallo Finley,
das freut mich sehr zu hören – ich hoffe, es gefällt Ihnen hier bei uns.
Und ja, det hele skal nok gå 🙂