Kindermund Nr. 6: Neuer kleiner Bruder?

Als ich gestern Nachmittag von der Arbeit nach Hause kam, standen meine vierjährige Tochter und mein zweijähriger Sohn bereits an der Tür und warteten. Sie wollten noch vor dem Abendessen einen Ausflug mit den Fahrrädern ins Feld machen und bettelten so lange und herzzerreißend, bis ich den Gedanken ans entspannende Sofa beiseite schob und mich erweichen ließ.

10 Minuten später hatten wir alle notwendigen Schuhe, Jacken & Fahrradhelme angezogen und sammelten alle benötigten diversen Fahrräder und Laufräder in verschiedenen Größen auf unserem Grundstück ein. Meine Tochter fährt ein kleines rosa Fahrrad. Mein Sohn besitzt ein blaues Laufrad, das er heiß und innig liebt, und von dem er in diesen Tagen kaum loszueisen ist. 80 % seiner „Trotzanfälle“ gehen aufs Konto „Warum zum Henker muss ich ins Haus?! Ich muss mindestens drei weitere Stunden Laufrad fahren!! Dringend!!“

Da beide Kinder mittlerweile recht schnell auf ihren fahrbaren Untersätzen unterwegs sind, entschied ich mich nach kurzem Zögern erstmals dazu, ebenfalls mit dem Fahrrad mitzufahren. Ob ich auf diese Weise nach der Radtour beide Kinder dazu bewegen konnte, mir nach Hause zu folgen, blieb abzuwarten… Eins stand jedoch fest: Zu Fuß hatte ich definitiv keine Chance mehr, meinen Sohn einzuholen, sollte dieser sich in den Kopf setzen davonzufahren. In diesem Punkt hatte ich mit Fahrrad eindeutig eine bessere Position.

Wir drei radelten einträchtig und in gemütlichem Tempo in Richtung der weitläufigen Felder, die hinter unserem Haus beginnen. Ein langer asphaltierter Weg führt dort durch die Landschaft zu einem Neubaugebiet. Eifrig machte ich mich an die Verkehrserziehung meines Nachwuchses. Meine Kinder fuhren mir folgsam hinterher und hielten auf mein Kommando hin an der Seite an, wenn ein Fahrradfahrer an uns vorbeifahren wollte. Wir überholten außerdem mehrere Hundebesitzer und ihre zugehörigen Vierbeiner, ohne weiteres Chaos zu verursachen.

Begeistert darüber, wie gut der erste gemeinsame Fahrradausflug klappte, begann ich im Geiste damit, passende Formulierungen für ein abendliches Status-Update auf Facebook brainzustormen.
„Erster gemeinsamer Fahrradausflug mit den beiden Kleinen: Total easy!“
Oder: „Wie herrlich, mit beiden Kindern entspannt durch die Felder radeln zu können!“

Schließlich war es an der Zeit, den Heimweg anzutreten. Wir kehrten um und beide Kinder folgten zunächst brav. Plötzlich blieb mein Sohn vor einer Wegkreuzung wie angewurzelt stehen. Er starrte  in Richtung der Abzweigung und bewegte  sich keinen Meter weiter. Seine große Schwester und ich waren bereits ein gutes Stück weitergefahren, bevor wir sein Fehlen bemerkten. Wir hielten an und warteten auf ihn. Der Kleine schaute uns ungerührt entgegen.

Ich rief ihn laut und bedeutete ihm, uns zu folgen. Demonstrativ schaute er die Abzweigung entlang. Offensichtlich hatte er für sich eine andere Entscheidung getroffen.

Ich rief ihm erneut zu und lockte mit der Aussicht auf Papas Pizza im Ofen. Vergeblich. Auch wenn leckeres Essen bei meinem Sohn hoch im Kurs steht: Lange Ausflüge mit dem Laufrad sind ungeschlagen aif Platz 1. Nahezu konkurrenzlos.

Mit Engelszungen versuchte ich von meiner Position aus, den widerspenstigen Kerl dazu zu bewegen, uns endlich zu folgen. Vergeblich. Ein klassisches Patt.

Mein Magen begann zu knurren. Wir befanden uns einen guten Kilometer von unserem Haus entfernt. Wie sollte ich nur drei Fahrräder und zwei kleine Kinder nach Hause bugsieren, wenn nicht alle kleinen Wesen kooperierten?

Schließlich riss mir der Geduldsfaden und ich rief: „Dann fahr´ von mir aus halt bitteschön entlang. Deine Schwester und ich fahren jetzt jedenfalls nach Hause. Tschüß!“

Theatralisch drehte ich mich um und stieg auf mein Fahrrad, um zu verdeutlichen, wie ernst es mir mit meiner Aussage war.

„NEEEEEEEIN, Mama“, protestierte plötzlich meine Tochter hinter mir. Verwundert drehte ich mich zu ihr um. Ihr stand der Schreck ins Gesicht geschrieben. Sie holte tief Luft und fuhr fort: „Wir können doch nicht ohne den kleinen Bruder fahren!“

Den kleinen Bruder?
Merkwürdige Formulierung, dachte ich.
Ernst blickte sie auf den kleinen sturen Kerl, der immer noch an der Weggabelung stand und mit großen Augen zurückblickte.

„Dann haben wir zuhause gar keinen kleinen Bruder mehr!“, fügte sie atemlos hinzu.

Wodurch wir das ein oder andere Problem gespart hätten, dachte ich grimmig.

Plötzlich ging ein Ruck durch meine Tochter. Sie schwang sich aufs rosa Fahrrad und sagte: „Also gut, Mama, ich komme mit.“

Mit unbewegter Mine fuhr sie langsam an mir vorbei. Verdutzt über den Sinneswandel sah ich ihr hinterher. Über die Schulter rief sie mir zu: „Aber dann müssen wir zuhause gleich einen neuen kleinen Bruder machen!“

Ach herrje!

Ich mobilisierte umgehend meine allerletzte Geduld und manövrierte mit ein paar geschickten Schachzügen meinen kleinen Sohn nach Hause.

Unter diesen unmissverständlichen Bedingungen investiere ich doch lieber etwas mehr Nerven in den „bereits fertigen kleinen Bruder“…

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6 Kommentare zu „Kindermund Nr. 6: Neuer kleiner Bruder?“

    1. Hallo Matthias, freut mich, dass Du das herrlich findest 🙂 Ich war in dem Moment erst etwas schockiert beim Gedanken, aber das hat mir ja dann auch Beine gemacht 🙂
      LG vom Cousinchen!

  1. Ich habe eben schallend lachen müssen. Das ist echt gut!
    Wir sagen immer: Wenn der Storch sie mit 3 Jahren abschmeißen würde, würden wir noch mehr Kinder nehmen. 🙂

    LG und ein schönes Wochenende!

    1. Liebe Katrin,
      freut mich, dass die Story Dich zum Lachen gebracht hat 🙂
      Und ich stimme Dir zu 100% zu – Du sprichst mir wirklich aus der Seele: Kinder ab 3 Jahren würde ich auch noch nehmen 🙂
      Alles vorher ist so viel Arbeit ….. hihi.

      Lieben Gruß auch an Dich und einen schönen Sonntag.
      Mary

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