Es war 8:45 Uhr, an meinem ersten Schultag in der dänischen Sprachschule. Ich hatte zur Sicherheit einen früheren Bus genommen und war eine Viertelstunde zu früh dran. Der Unterricht sollte um 9 Uhr beginnen.
Ich suchte meinen Klassensaal, der auf der Bestätigung des Sprogcenter Hellerup angegeben war. Ich fand ihn auf Anhieb auf dem ersten Gang. Zaghaft betrat ich den leeren Raum. Deutsche Pünktlichkeit… Ich sah mich in dem kleinen Saal um. Schmale Holztische mit je zwei Holzstühlen standen in U-Form vor einer großen Tafel angeordnet.
Ich fühlte mich um 30 Jahre zurückversetzt. Ab heute war ich wieder Schülerin und tauschte den komfortablen Bürostuhl gegen diese niedrigen, unbequem aussehenden Holzstühle. Unschlüssig blickte ich mich um. Wo sollte ich mich hinsetzen? In diesem Moment betrat eine Gruppe junger Frauen und Männer den Raum. Sie redeten wild durcheinander. Lautes Gelächter erfüllte den Klassensaal. Freundlich begrüßten einige mich mit „Hej“. Ich grüßte zurück.
Ich beobachtete, wie sich die Gruppe im Klassensaal verteilte und versuchte, Alter und Herkunft zu schätzen. Ich tippte auf 20 bis 35 Jahre. Eine Frau schien etwas älter, war aber aufgrund von fremdartiger Kleidung und Aufmachung schwer einzuschätzen. Sie hatte einen dunklen Punkt auf der Stirn, genau zwischen den Augenbrauen. Vermutlich aus Indien, dachte ich. Einige Männer und Frauen sahen europäisch aus. Andere Schüler hatten eine dunkle Hautfarbe.
Während die Tische nach und nach in Beschlag genommen wurden, betraten weitere Schüler den Saal. Alle begrüßten sich untereinander und wechselten ein paar Worte. Sie sprachen gebrochenes dänisch miteinander, ohne Scheu vor Fehlern. Ich mochte die lockere Atmosphäre auf Anhieb.
Ich setzte mich auf einen freien Platz. Neben mir saßen eine kleine, schmale Asiatin und ein junges Mädel, das ich als Europäerin einstufte. Die Europäerin sprach mich auf Englisch an und stellte sich vor. Als ich ebenfalls auf Englisch antwortete, lächelte sie und sagte: „Ich höre, Du bist auch Deutsche! Dann können wir ja Deutsch sprechen.“
Sie zeigte auf ein anderes junges Mädel im Raum und erklärte, dass sie beide Au-Pairs aus Deutschland waren und ich somit die dritte Deutsche im Bunde war. Wenn auch kein Au-Pair. Die beiden lebten bei zwei Gastfamilien in den schicken Gegenden rund um Kopenhagen. Ein Klischee wurde erfüllt.
Die kleine Asiatin mischte sich ins Gespräch und sagter:
„Welcome, my name is Ye Li. I come from China.“
Zu dritt hielten wir ein wenig Small-Talk auf Englisch.
„I skal tale dansk!“, rief plötzlich ein hübsches, dunkelhäutiges Mädchen und zeigte mit dem Finger auf uns.
„Ihr sollt dänisch sprechen!“ Streng blickte sie auf uns.
Dann brach sie in lautes Gelächter aus, und meine beiden Gesprächspartner kicherten vergnügt.
„Die Afrikaner passen auf, dass wir nicht zuviel deutsch sprechen“, erklärte meine deutsche Platznachbarin augenzwinkernd. Ich grinste. Die Sache begann, mir Spaß zu machen.
Eine Frau um die 40, mit braunen, lockigen Haaren, betrat das Klassenzimmer.
„Hej, Pernille, god morgen!“, begrüßte die Klasse sie bunt durcheinander.
Das war also unsere Lehrerin. Der Dänisch-Unterricht konnte beginnen!
Fortsetzung:
Die erste Schulstunde in der dänischen Sprachschule – 2. Teil