Das Wetter in Dänemark: Der Wind, der Wind, das himmlische Kind

„Der Wind, der Wind, das himmlische Kind“
aus „Hänsel und Gretel“, Gebr. Grimm

Bevor ich nach Skandinavien auswanderte, hatte ich eine recht konkrete Vorstellung vom Wetter dort oben im Norden. In Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland war es im Vergleich zu Deutschland deutlich kälter. Je weiter nördlich, je kälter. Und im Winter lag in Skandinavien selbstverständlich meterhoher Schnee.

Für Schweden, Norwegen und Finnland mag das zutreffen – diese Länder sind riesig und erstrecken sich bis zum Polarkreis hinauf.

In Dänemark dagegen ist es oft gar nicht viel kälter als in meiner alten Heimat Südhessen. Ich schätze den durchschnittlichen Temperaturunterschied nur auf cirka 2 Grad (Angaben ohne Gewähr). Nur im Hochsommer, wenn die Temperaturen an der Bergstraße völlig ausufern und das Thermometer wochenlang weit über 30 Grad anzeigt, zieht Dänemark nicht mit (was ich sehr angenehm finde).

In Dänemark ist es also – mal vom Hochsommer abgesehen – nur ein klein wenig kälter als in Südhessen. Dafür habe ich schnell einen viel wesentlicheren Unterschied feststellen dürfen: der dänische WIND!

Von September bis Mai gibt es gefühlt keinen einzigen windstillen Tag. Täglich zerrt der Wind von allen Seiten an Klamotten und Haaren und findet mit beeindruckender Präzision jede Schwachstelle in der angelegten Schutzmontur. Für jede einzelne Stelle des Körpers, die nicht mit großer Sorgfalt mit passenden Kleidungsstücken bedeckt worden sind, wird man bestraft. Tapfer kämpfe ich im Winter mit meterlangen Schals und Wollmützen gegen die Naturgewalt an. Ich drapiere meine Haare um die Ohren und lege sie als organisches Schutzschild über den Schal, der so tief es geht in der Jacke steckt. Die windabweisende Jacke erstreckt sich von der Nase bis zu den Knien. Direkt darunter übernehmen optimalerweise die Stiefel ihre Schutzfunktion.

Und TROTZDEM findet der Wind täglich irgendwo noch eine kleine Ritze, in die er hineinwehen kann.

Überhaupt hat der Wind in Dänemark übernatürliche Eigenschaften. Fährt man morgens mit dem Fahrrad 5 Kilometer in eine bestimmte Richtung (z.B. zur Arbeit, zur Sprachschule u.ä.), hat man Gegenwind. Nach Adam Riese müsste sich dieser kleine Nachteil mittags bei der Heimfahrt in einen Vorteil umwandeln. Wer  dies jedoch denkt, der hat die Rechnung ohne den Wind in Dänemark gemacht. Besteigt man nämlich mittags seinen Drahtesel, kann man sich mit Garantie doch wieder mühevoll abstrampeln und den heftigen Gegenwind bezwingen, der wie aus heiterem Himmel einfach seine Richtung um 180 Grad gedreht hat. 

Wer nach Dänemark auswandert und eine lange Haarpracht mitbringt, lernt sehr schnell, seine Frisur dem Wind anzupassen. Das Haar ganz offen tragen? Nur wenn man sich ständig Haarsträhnen aus Mund und Nase entfernen will. Das Haar mit Haarspray schick fixieren? Stellt sich die Frage, welches Haarspray für diese Herausforderung geeignet wäre. Für den dänischen Wind würde ich Minimum ein „10-Wetter-Taft“-Haarspray empfehlen, und auch dann würden einem die künstlich fixierten Haarteile noch ins Gesicht schlagen.
Am besten versteckt man die Haare in einer unkomplizierten Frisur unter der Mütze und stylt sich dann am windstillen Zielort.

Manchmal kommt zum dänischen Wind auch noch etwas Regen hinzu. Wenn es in Dänemark regnet, regnet es nicht wie an der Bergstraße gemütlich von oben senkrecht nach unten, so wie es sich gehört. Nein, dank Wind im Rücken gewinnt der Regen gleich mehrere Angriffsrichtungen und peitscht uns unkontrolliert ins Gesicht und in die Augen.

Als frisch eingewanderte Südhessin versuchte ich anfangs noch, mich mit einem handlichen Regenschirm zu schützen. So, wie man das aus der Heimat kennt und praktiziert hat. Ein kleiner Knirps lässt sich schnell und praktisch im Handgepäck verstauen.  Das Knirps-Projekt gibt man jedoch spätestens 2 Regenschirme später wieder auf, wenn sich die Speichen schon beim zweiten Windstoß in die falsche Richtung biegen und die zerrissenen Stofffetzen kläglich um die gebrochenen Speichen herumflattern. So wie hier:

(Foto: sn.dk)

Doch allen Widrigkeiten zum Trotze mag ich das dänische Wetter!

Ich mag das raue, wechselhafte Klima, den Wind, der um unser Haus am Feldrand pfeift, den Regen, der gegen die Fenster prasselt. Und ich habe mich daran gewöhnt, dass der Wind an manchen Tagen und Nächten eine derartige Geräuschkulisse darstellt, dass man aus dem Fenster schaut und sich fragt, wo denn dieser LKW mit dem laufenden, lauten Motorengeräusch steht. Ich wundere mich auch nicht mehr darüber, wenn ich nach einer besonders stürmischen Nacht aufwache und die Gartenmöbel verschwunden sind. Meist findet man sie nicht weit entfernt an einer anderen Stelle im Garten wieder.

So wie beispielsweise am Wochenende. Unser Spielhaus war bisher noch nie weggeflogen. Da scheinen doch einige kräftigere Sturmböen gewütet zu haben.

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Und nicht nur Gartenmöbel bringt der Wind in Dänemark aus dem Gleichgewicht. Eine ordentliche Böe kann ein kleines Persönchen wie mich schnell aus dem Takt bringen. Heute früh beispielsweise wurde ich auf dem Weg von der S-Bahn zur Arbeit von einer seitlich kommenden Windböe erfasst und 2-3 Schritte nach rechts geweht. Ich musste mich ordentlich dagegenstemmen, um in die gewünschte Richtung zu kommen.

Und bei stärkeren Windböen – bei den hier im Winter üblicherweise auftretenden Stürmen – werden auch gestandenere Menschen mit höherem Schutzgewicht schlicht und einfach umgeweht.

Wir haben mittlerweile großen Respekt vor den Naturgewalten hier im Norden. Insbesondere seit wir vor einigen Wochen den ersten Sturm mit Orkanböen erlebt haben…

Der Blog-Verlauf zum Sturm/Orkan „Bodil“ (in Deutschland „Xaver“):
https://4nordlichter.wordpress.com/2013/12/04/sturmwarnung-fur-danemark/

Das muss nicht nochmal sein!

Der Mensch ist im Vergleich zur Natur eben doch ganz, ganz, ganz klitzeklein.

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