Zufälle gibts!
Exakt am Tag der Veröffentlichung meines Blog-Posts „Digitales Dänemark“ kam in sämtlichen Medien erstmals die Nachricht: Betrüger hatten Dankorts gestohlen und sich daraufhin mit Hilfe der App „Mobile Pay“ von den jeweiligen Konten Geld verschafft. Der Entwickler der App, die „Danske Bank“ bedauerte das Problem und kündigte Schadensersatz für die Betroffenen an. Gleichzeitig betonte die Bank, dass die Betrugsquote bei „Mobile Pay“ deutlich unter der Quote des gewöhnlichen Kreditkartenbetrugs liegt.
Alles hat eben seine Vor- und Nachteile!
Nehmen wir zum Beispiel meine digitale Zugfahrkarte. Der öffentliche Verkehr in Dänemark ist schon seit längerem dabei, auf ein einheitliches, digitales Fahrkartensystem umzustellen. „Rejsekort“ und „Mobilperiodekort“ heißen die neuen Gefährten beim Pendeln und lösen langsam aber sicher die altbekannte „Klippekort“ und die Dauerfahrkarte im kleinen, aufklappbaren Mäppchen mit Foto ab. Nach vielen Jahren der Einführung und Tests, inklusive massiver Hindernisse und Verzögerungen, sind die Systeme zwischenzeitlich relativ tauglich. Ein Großteil der dänischen Bevölkerung ist jedoch durch die vielen negativen Schlagzeilen aus dieser Zeit stark abgeschreckt, sich in diesem Bereich digitalisieren zu lassen. Ich selbst habe mich vor einigen Monaten doch endlich einmal überwunden, meine Klippekort-Komfortzone zu verlassen und bin seither digitale Pendlerin im Großraum Kopenhagen.
Das System bietet viele Vorteile. Meine neue „Rejsekort“ hat stets ein Guthaben, da sie an mein Konto gekoppelt ist, das automatisch Geld auf meine Karte überweist, wenn der Saldo der Reisekort unter ein bestimmtes (selbst zu wählendes) Minimum gerät. Damit entfallen die Situationen, in denen man nicht mehr genügend Zonen auf seiner Klippekort hat, der Zug aber bereits in die Station einfährt. Die regelmäßig auftretenden Situationen, in denen man vor dem Dilemma stand:
A: Schwarzfahren (ich erinnere an die drakonischen Bußgelder in Dänemark) oder
B: neue Klippekort kaufen = Automat suchen = eventuell Warteschlange = nächster Zug = Zuspätkommen.
Die Dauerfahrkarte („Mobilperiodekort“) kauft man über eine App bequem vom Sofa aus. Diese musste man bislang in bestimmten Kiosken oder Verkaufsstellen der Bahn kaufen,. Dies musste entsprechend im Voraus geplant werden, weil in unserem kleinen Vorort eine solche Verkaufsstelle selbstverständlich NICHT existiert. Die Sofa-Variante ist somit definitiv die bequemere Lösung. Hinzu kommt, dass man mit der Mobilperiodekort bei Reisen in andere Gebiete der Hauptstadt genauso bequem und unkompliziert einfach noch ein paar Zusatzzonen dazu kaufen kann.
Ich bin also zwischenzeitlich begeistert von der Digitalisierung des öffentlichen Fahrkartensystems.
Hier gibt es jedoch auch eine kleine aber feine Schattenseite. Bereits zweimal wurden mir dank meiner digitalen Fahrkarte „Strafzettel“ sprich Bußgelder ausgestellt. Einmal hatte mein spärlicher Handy-Akku just in dem Moment seinen Geist komplett aufgegeben, in dem ich meine digitale Dauerkarte auf der App „Mobilperiodekort“ hätte vorzeigen müssen. Ein anderes Mal hatte ich offenbar meine Rejsekort nicht am richtigen Terminal eingecheckt, woraufhin ich trotz hartnäckiger Diskussionen meinerseits und Verständnis des Kontrollpersonals andererseits einen Strafzettel erhielt. Beide Male hätte ich 750 Kronen zahlen sollen (100 Euro)!
In beiden Fällen wurde ich jedoch vom stets freundlichen Kontrollpersonal auf die Möglichkeit hingewiesen, die Entscheidungen mit meinen (durchaus nachvollziehbaren) Argumenten anzufechten. Was ich auch umgehend tat, und zwar – wie könnte es anders sein – auf einem digitalen Reklamationsformular 🙂
Und siehe da, mein erstes „Schwarzfahrer-Bußgeld“ wurde auf 20 Euro reduziert, das zweite komplett erlassen.
Mittlerweile kann man sich sogar bei einem speziellen Programm des öffentlichen Verkehrs anmelden und bis zu zwei mal im Jahr seine digitale Fahrkarte vergessen (und dabei erwischt werden), ohne hierfür belangt zu werden. Sehr praktisch.
Auch die dänischen Kitas, Kindergärten und Schulen werden immer digitaler. Einmal erfolgt natürlich die zentrale Platzvergabe für sämtliche Einrichtungen digital. Hat man dann für seinen Nachwuchs einen Platz in der Kita seiner Wahl zugeteilt bekommen und das Kind ist integriert, erhält man einen Kita-Login und kann von nun an die täglichen Anwesenheitszeiten, Ferien und Krankheitstage von zuhause aus steuern. In unserer Einrichtung (Kita sowie Kindergarten, d.h. von 0-6 Jahren) hängt im Eingangsbereich ein Bildschirm mit Touch-Screen, auf dem die Kinder in Gruppen oder nach Buchstaben aufgerufen werden können. Die Eltern laden ein Bild des Juniors hoch, so dass die Kinder sich auch selbst und die anderen Kinder erkennen können. Auf diese Weise werden die Kinder beim Hinbringen eingecheckt und beim Abholen wieder ausgecheckt. (Da die Kinder sämtlicher Altersgruppen dies unbedingt selbst tun wollen, wurde in unserer Einrichtung mittlerweile eine kleine Holzleiter unter dem Bildschirm aufgestellt, so dass Klein und Groß Ein- und Auschecken und Ewigkeiten Bilder anschauen kann).
Dank Check-In in Kombination mit den im System vorliegenden Infos über Urlaube und Krankheiten wissen die Erzieher somit stets, mit welchen Kindern sie an diesem Tag noch rechnen müssen und wer nicht mehr kommen wird. Dies erleichtert die Tagesplanung sowie auch generell die Personaleinsatzplanung einer Einrichtung. Für die Eltern ist dies ebenfalls sehr bequem. Das Kind muss nicht mehr telefonisch abgemeldet werden, sondern nur noch digital. Mittlerweile gibt es auch eine App, mit der man dieselben Funktionen ausüben kann. All die terminliche Kommunikation mit dem Kindergartenpersonal entfällt somit, so dass man beim Hinbringen und Abholen wichtigere Informationen mit den Erziehern über den Kiga-Alltag des Sprösslings austauschen kann.
Über dieselbe App bzw. das Kindergarten-Portal kann man als Eltern auch viele verschiedene Informationen über das Leben in der Einrichtung erhalten. Zum Beispiel was das Kind den Tag über alles erlebt hat, welche Lieder derzeit gesungen werden, welche Spiele gespielt wurden, welche pädagogischen Themen gerade im Vordergrund stehen, welche Aktivitäten anstehen, ob Ausflüge geplant sind, wann das nächste Kindergartenfest ist, und und und. Jede/r Erzieher/in hat ein I-Pad erhalten, das zur Medienerziehung eingesetzt wird. Damit werden unter anderem auch Fotos vom Kindergartentag gemacht, so dass die Eltern hieran im Nachhinein „teilnehmen“ können.
Für mich waren diese Fotos besonders in der ersten Zeit der Eingliederung meiner Kinder sehr wichtig. In den jüngsten Kita-Gruppen werden täglich Fotos vom neuen Alltag der Kleinen gemacht, so dass die Eltern deren Leben auch dann täglich weiter verfolgen können, wenn sie – wie es die dänische Gesellschaft nun mal vorsieht – beide wieder arbeiten.
Die Digitalisierung hat also auch im Familienalltag längst Einzug gehalten und ist – für mich unmerklich – Normalität geworden. Mir wäre nicht einmal selbst die Idee gekommen, den „Kindergarten-Check-In“ in die Reihe „digitales Dänemark“ mit aufzunehmen. Vielmehr war es meine deutsche Freundin, die bei ihrem aktuellen Besuch bei uns im Norden erstaunt beobachtete, wie beide Kinder im Kindergarten auf die kleine Holzleiter kletterten und sich mit Hilfe ihres Buchstabens und des Fotos selbst eincheckten. Daraufhin machte sie mich darauf aufmerksam, dass diese Vorgehensweise ebenfalls eine Platz zwischen all den anderen digitalen Bereichen verdient hat 🙂
Für dieses Öffnen meiner Augen vielen Dank, liebe Conny, und eine gute Reise „heim“ nach Deutschland. Grüße mir die alte Heimat.
Ein weiterer Bereich, in dem Dänemark schon seit Jahren digital arbeitet, ist das Gesundheitswesen.
Fortsetzung: Digitales Dänemark III.
Quelle Beitragsbild: http://www.zdnet.com
Hallöle!
Ich finde Deine Berichte über das digitale Dänemark total spannend! Das hört sich super komfortabel knd durchdacht an; klar, alles hat so seine Schattenseiten, aber ich finde, die meisten digitalen Dinge haben durchaus ihre Daseinsberechtigung! Alles braucht eben Herz und Hirn! Wie sieht es eigentlich in Sachen Kosten mit der Kinderbetreuung aus bei Euch? Wenn es so selbstverständlich ist, dass Frauen schnell wieder in den Beruf einsteigen, ist es doch bestimmt auch mit den Kosten nicht so arg wie bei uns? Freue mich schon auf Deine Antwort! Herzliche Grüße Nicole
Hallo Nicole,
freut mich, dass Dir die Infos zur Digitalisierung hier im Norden gefallen.
Zu der Frage bzgl. der Kosten für die Kinderbetreuung. Diese stellt hier in DK absolut kein Hindernis dar (wie oft in Deutschland), dass beide wieder arbeiten. Es ist ja oft schwer vergleichbar, wenn man die Kosten zweier Länder gegenüberstellt, und der Stadt / Land-Unterschied ist auch recht hoch. Aber mal als Beispiel. Den teuersten Wert, den ich mal gehört habe, war eine Kita in Kopenhagen:
550 Euro, inkl. Windeln und warmem Mittagessen.
Unsere Einrichtung im Umland von Kopenhagen, eher Land, aber immer noch Kopenhagen Einzugsbereich ( mit S-Bahn usw.):
300 EUR ohne Windeln und ohne Essen. Essen und Windeln geben wir selbst mit.
Preise = Vollzeitplatz, d.h. jeweils für bis zu 10 Stunden täglich, bei uns sind die möglichen Öffnungszeiten 7-17 Uhr. Es gibt keine Teilzeitpreise, denn in Dänemark arbeitet man generell kaum Teilzeit, das lohnt sich für die Arbeitgeber und für den Arbeitgeber nicht.
Die Family Finanzen sind meist stets auf 2 volle Gehälter ausgelegt.
Ob Dir das hilft? 🙂
Auf dem Land ist es sicher nochmal viel billiger.
Der Kiga (ab 2 Jahren und 10 Monaten) kostet dann etwas über die Hälfte des Kita-Satzes. Und wenn Du ein Geschwisterchen in die Einrichtung bringst, dann wird der billigere Platz (meist dann schon der Kiga-Platz) um 50 % reduziert.
Das dritte Kind ist dann ganz kostenlos.
Wenn ich also meine beiden Kinder derzeit in Kiga/Kita habe, kostet mich das zusammen so um die 450 Euro.
LG
Mary
Digitaler-Kindergarten-Check-In 😆 Hehe… Gut, die Digitalisierung ist wirklich überall angekommen und wird immer weiter in unseren Alltag integriert. Was nur, wenn eines Tages die Technik irgendwo ausfällt und keiner mehr weiß, wie das Leben ohne diese gute Technik war. Man man man, ist das spannend!
Ich danke dir fürs Mitnehmen, liebe Mary und ganz liebe Grüße, Emily
Hallo Emily,
ja, wenn die Technik eines Tages komplett ausfällt, und das für mehrere Stunden, dann gibt es tatsächlich Chaos. Gut, im Kiga ruft man dann eben doch wieder kurz an 🙂 Das geht gerade noch so.
Wir haben aber tatsächlich mal einen Vorgeschmack darauf bekommen, wie abhängig man ist. Meine Firma machte ein System-Update, woraufhin eines morgens alles für 3 Stunden ausfiel.
Ruft ein Kunde an und bestellt 3 Produkte XY.
Ich erklärte, dass ich sie ihm leider nicht in 10 min bereitstellen kann (es war ein eiliger Fall), da die Systeme down sind. Er so: Ja kannst Du denn nicht einfach ins Lager gehen und das Zeug holen?
Hahaha, ja theoretisch schon. Wenn ich denn wüsste, wo die Teile liegen 🙂
Im Lager liegen insgesamt 10.000 verschiedene Artikelnr. an den zugewiesenen Plätzen.
Die nur das System kennt.
Das war schon merkwürdig. Mir fehlte nur eine kleine Info, aber die war digital….
Hat alles Vor- und Nachteile.
Spannend, wie Du schon sagst.
Lieben (digitalen) Gruß zu Dir
Mary
Liebe Mary,
ich lese deinen Blog jetzt erst. Was du schreibst, liegt nun schon einige Jahre zurück. Ich arbeite in einer Kita und muss doch schmunzeln. Gerade bin ich in einer Einrichtung, in der es Tablets gibt und wo die Kinder morgens, bzw. nachmittags digital ein- und ausgecheckt werden. Auch gibt es Kommunikation mit den Eltern, aber keine selbstständigen Krankmeldungen, das können nur die Erzieher eintragen. Trotzdem ist das schon digitaler Luxus, wenn man bedenkt, dass die meisten Einrichtungen noch mit Papierlisten arbeiten, alle Zeiten von hand eintragen und auch, wer die Kinder gebracht oder abgeholt hat (wegen Corona). Und ich miene hier nur die letzten zwei Jahre! So langsam dämmert mir was. Ich bin selber nicht die schnellste in Sachen Digitalisierung, aber das hat andere Gründe.
Jedenfalls lses ich mich mit Begeisterung duch deinen Blog, seit ich selbst mit dem Gedanken spiele, Deutschland zu verlassen.
Herzliche Grüße
Andrea