Die kleinen Geheimnisse des Eltern-Daseins: Der Windel-Marathon

Als ich das erste Mal schwanger war und mein wachsender Bauch der Außenwelt verriet, dass auch ich gedenke, bald in den Club der Eltern dieser Welt einzutreten, wurde ich mit unzähligen Ratschlägen, Informationen und persönlichen Erfahrungen überhäuft. Relativ schnell wurde mir klar, dass ich mich auf ein größeres Projekt eingelassen hatten. Dank der unerschöpflichen Informationsquellen im Internet, der hilfreichen Online-Ratgeber zu den Themen Schwangerschaft und Baby sowie des überwältigenden Bücher-Angebot kann man sich jedoch zumindest theoretisch auf die kommende Aufgabe vorbereiten.

Doch so umfassend und detailliert man sich heutzutage informieren kann: Einige Themen rund ums Thema Schwangerschaft & Baby werden eher stiefmütterlich behandelt. Und hat Dich das Baby schließlich mit seiner Geburt in eine neue Welt katapultiert, ist trotz aller Vorbereitungen dennoch „trial and error“ und „learning by doing“ angesagt.

Greifen wir an dieser Stelle mal ein eher profan erscheinendes Thema auf: Das „Windeln wechseln“!
Genauer: Der Windel-Marathon!

Bevor ich meine kleine Tochter in den Armen hielt, hatte ich mir über das Thema „Windeln“ nur sehr oberflächlich Gedanken gemacht. Das Baby füllt die Windel und erhält danach eine neue, so meine Idee dazu. Dass mit der Geburt nicht nur ein völlig neues Leben beginnt sondern gleichzeitig der Startschuss für einen Windel-Marathon fällt, war mir nicht bewusst.

Doch dies sollte sich schlagartig ändern.

Ich lag im Krankenhausbett, etwas außer Gefecht gesetzt von der Geburt. Äußerst zufrieden mit mir und der Welt hielt ich mein neugeborenes Wunder in den Armen. Verzückt schnupperte ich an der zarten Babyhaut. Die Haut war herrlich weich und roch wunderbar süß. Verliebt schnupperte ich weiter, als die bilderbuchhafte Idylle plötzlich gestört wurde. Was war das für ein scharfer Geruch? Die Kleine hatte doch nicht etwa…?

Ein vorsichtiger Check mit meiner empfindlichen Nase Richtung Baby-Popo bestätigte meine Vermutung. Das erste Mal Windeln wechseln war angesagt!

Meine Mann und ich sahen uns an. Da ich ans Bett gefesselt war, lag die vor uns liegende große Aufgabe in den Händen meines Mannes.

„Wie schwer kann das schon sein?“ sagte er nach einer Weile und wollte sich voller Tatkraft ans Werk machen.

„Nein, Stopp!“ hielt ich ihn zurück. Ich blickte zuerst auf das zarte, zerbrechliche Geschöpf in meinen Armen und danach auf die riesigen Pranken meines Mannes. „Wir wissen doch nicht, wie das funktioniert! Hol´ Schwester Ulla!“

Stirnrunzelnd schaute er mich an. Da er keine Lust auf weitere hormongesteuerte Gefühlsausbrüche einer frischgebackenen Mutter hatte, ging er schließlich aus dem Zimmer. Wenige Minuten später kam er zurück, mit Schwester Ulla im Schlepptau.

Schwester Ulla sah mich fragend an. Ich erklärte ihr unser wichtiges Anliegen. Sie zog die Augenbrauen hoch.
„Wie Windelwechseln funktioniert?“ wiederholte sie gedehnt.
„In dieser Disziplin werdet Ihr bald Experten sein!“

Möglich.
Das half uns zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht weiter. Genervt rollte ich mit den Augen. Ging jeder weiße Kittel davon aus, dass man zum Babypflege-Naturtalent mutierte, nur weil man zufällig zwei Stunden vorher einem kleinen Wesen auf diese Welt verholfen hatte? Die Hormone wüteten in meinem Körper. Ich zog kurzzeitig in Betracht, eine Runde zu heulen.

Nach einem prüfenden Blick auf mich erbarmte sich Schwester Ulla schließlich und begann, unser Baby zu wickeln. Nach einigen gekonnten Griffen war das Thema beendet. Die Familien-Idylle konnte fortgesetzt werden. Ohne störenden Gerüche. Ich war selig.

Damit war der Startschuss gefallen: Unser persönlicher Windel-Marathon hatte begonnen! Dies wurde uns in den Tagen nach der Geburt mehr und mehr bewusst.

In den Wochen vor der Geburt hatte ich sorgfältig eine Ratgeber-Liste abgearbeitet: „Utensilien, die vor dem Einzug eines neuen Erdenbürgers im Haushalt unbedingt benötigt werden“. Oder so ähnlich. Auf der Liste befand sich der Punkt ´Windeln – Größe 1 – Newborn´.

Als ich in diesem kleinen Land endlich einen Laden fand, der „Newborn-Windeln“ verkaufte, kam ich ins Grübeln. Wieviele Newborn-Windeln benötigte ein Newborn-Baby pro Tag? Ich war wie viele hochschwangere Frauen Opfer des weiblichen Hamster- und Nestbautriebs und plante, mich nach der Geburt für ein paar Tage vollkommen von der Außenwelt zurückzuziehen.
Doch wieviele Windeln benötigte ich für diesen Zweck?
10? 20? 50?
Mein Ratgeber lieferte hierzu keinerlei weiterführenden Informationen.

Nach einer groben Einschätzung entschied ich mich für eine Packung mit 20 Windeln. Wie oft konnte solch eine kleine Gestalt schon Ausscheidungen in nennenswertem Umfang haben!

Schon einen Tag nach dem Einzug des jüngsten Familienmitglieds in unseren Haushalt blickten wir nachmittags überrascht auf die fast leere Windelpackung. Wenig später war meine bessere Hälfte auf dem Weg zu Føtex, um drei weitere Packungen „Newborn“ zu kaufen.

Der Windel-Marathon war in vollem Gange!

Wir waren erstaunt, welch hohen zeitlichen Stellenwert das Thema in unserem neuen Alltag hatte. An manchen Tagen hatte ich das Gefühl, nichts anderes zu tun außer Windeln zu wechseln.

Eines Tages kamen wir daher auf die Idee, den Windelverbrauch eigenhändig zu reduzieren. Warum nicht erst bei jedem zweiten Geschäft die Windel wechseln? Wir würden ganz einfach die Nutzungszeit pro Windel erhöhen – unabhängig vom Windelinhalt. Denn hatte man dem zappelnden Babykörper gerade erfolgreich eine frische Windel verpasst, verzog sich garantiert fünf Minuten später das kleine Babygesichtchen und das nächste Geschäft wurde auf den Weg gebracht. Wir warteten also, bis sich unserer Ansicht nach eine frische Windel sowie der Vorgang des Windelwechselns auch unter Kosten-und-Nutzen-Aspekten objektiv rentierte.

Einige Tage später zogen wir Bilanz: Wie prognostiziert hatte sich der Windelverbrauch dank der neuen Methode reduziert. Signifikant. Gleichzeitig konstatierten wir jedoch einen roten Baby-Popo! Laut Ratgeber war nun wieder „häufiges Windelwechseln“ angesagt…

Glücklicherweise hatte meine deutsche Familie uns mit vielen verschiedenen hautverträglichen Weleda-Produkten eingedeckt. Mit Hilfe der Cremes und dank regelmäßigem „Lüften“ des Baby-Popos bekamen wir das Problem relativ schnell wieder in den Griff.

Ab diesem Zeitpunkt krempelten wir die Ärmel hoch und fügten uns den Begebenheiten unseres Windel-Marathons. Wagemutig erhöhten wir nach zwei Jahren sogar den geplanten Halb-Marathon auf die volle Marathon-Strecke – mit einem zweiten Windelkind.

Heute, 4 Jahre und knapp 15.000 (!) Windeln später, haben wir langsam aber sicher das letzte Drittel des Windel-Marathons erreicht. Das Ziel ist noch nicht wirklich in Sichtweite, jedoch gehen uns die letzten Kilometer sicher auch noch von der Hand. Meine Schätzungen haben ergeben, dass die Ziellinie unseres persönlichen Windel-Marathons bei um die 20.000 Windeln liegen wird!

Gut, dass mir diese Zahl im Vorfeld nirgendwo über den Weg gelaufen war 🙂

2 Kommentare zu „Die kleinen Geheimnisse des Eltern-Daseins: Der Windel-Marathon“

  1. Was hab ich gelacht! Meine Herren, da geht aber so einiges Papier über den Popo was?! Stimmt, man macht sich tatsächlich keine Gedanken darüber.
    Ich erinnere mich an einige Windelwechslungen bei meinem Patenkind, das nur mit Taucherbrille möglich war… meine Güte bin ich froh darüber, dass die Zeit vorbei ist 😆

    Viele liebe Grüße, Emily

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